Dshamila
auf und arbeitete im Kolchos wie alle meine Altersgenossen. Ich vergaß Farben und Pinsel und dachte nicht, daß ich sie jemals wieder zur Hand nehmen würde. Und nun riefen Danijars Lieder diese Unruhe in meinem Herzen wach. Ich lebte wie im Traum und betrachtete die Welt mit staunenden Augen, als sähe ich sie zum erstenmal.
Und wie sich Dshamila plötzlich verändert hatte! Nichts erinnerte mehr an das muntere, stets zu Scherzen aufgelegte Mädchen mit der spitzen Zunge. Ihre Augen schimmerten dunkler, ihr Blick war verschleiert, nach innen gekehrt. Wenn wir unterwegs waren, dachte sie immerfort angestrengt nach. Ein verträumtes Lächeln spielte um ihre Lip pen, sie freute sieh still über etwas Schönes, von dem nur sie allein wußte. Es geschah, daß sie sich einen Sack auf die Schultern lud und mit ihm stehenblieb, als hätte sie einen reißenden Fluß vor sich und wüßte nicht, ob sie weitergehen sollte oder nicht. Danijar ging sie aus dem Wege, sie sah ihm nicht in die Augen.
Einmal sagte sie auf dem Druschplatz in erzwungen mürrischem Ton zu ihm: „Du solltest mal deine Bluse ausziehen. Gib sie mir, ich wasche sie."
Nachher breitete sie die Bluse zum Trocknen aus. Sie setzte sich daneben, strich sie lange und sorgsam mit den Handflächen glatt, betrachtete in der Sonne die fadenscheinig gewordenen Schultern, schüttelte den Kopf und strich abermals sanft und wehmütig darüber hin.
Nur einmal während dieser ganzen Zeit lachte Dshamila laut und herzhaft, und ihre Augen blitzten wie früher. Eine Schar junger Frauen, Mädchen und Dshigiten kehrte von der Arbeit zurück und kam am Druschplatz vorbei.
„He, ihr Großbauern, wollt ihr das ganze Weizenbrot allein essen? Gebt uns was ab, sonst werfen wir euch in den Fluß!" riefen die Dshigiten und drohten mit den Heugabeln.
„Vor euren Gabeln haben wir keine Angst! Meinen Freundinnen gebe ich was, aber ihr versorgt euch nur selber!" erwiderte Dshamila mit heller Stimme. „Na schön, dann fliegt ihr alle ins Wasser!"
Und die Burschen stürzten sich auf die Mädchen. Schreiend, kreischend und lachend stießen sie einander in den Fluß.
„Faßt sie, zieht sie mit rein!" rief Dshamila. Sie lachte am lautesten von allen und entwand sich den Angreifern rasch und geschickt.
Doch seltsamerweise schienen es die Dshigiten allein auf Dshamila abgesehen zu haben. Jeder versuchte sie zu fassen und an sich zu ziehen. Drei Burschen packten sie auf einmal und trugen sie ans Ufer.
„Gib uns einen Kuß, sonst werfen wir dich rein!" „Los, mit Schwung!"
Dshamila versuchte sieh zu befreien, bog lachend den Kopf zurück und rief laut die Freundinnen zu Hilfe. Doch die rannten aufgeregt am Ufer hin und her und fischten nach ihren Kopftüchern. Dshamila flog unter dem einmütigen Gelächter der Dshigiten ins Wasser. Mit wirren, nassen Haaren stieg sie wieder heraus. Sie sah jetzt noch hübscher aus als sonst. Das nasse Kattunkleid klebte an ihrem Körper; deutlich zeichneten sich ihre runden kräftigen Hüften und ihre mädchenhafte Brust ab. Sie aber merkte von alledem nichts, sie lachte unbekümmert, und über ihr erhitztes Gesicht rannen lustige kleine Bäche. „Einen Kuß!" drängten die Dshigiten.
Dshamila küßte sie, wurde aber noch einmal ins Wasser geworfen. Lachend stieg sie heraus und warf die nassen, schweren Haare zurück.
Alle lachten über die Späße der Burschen und Mädchen. Die alten Männer hatten ihre Worfschaufeln zur Seite gelegt und wischten sich die Tränen ab. Ihre faltigen braunen Gesichter strahlten vor Freude und schienen einen Augenblick lang wieder jung. Auch ich lachte aus vollem Hals; ich hatte meine Eifersucht vergessen und dachte auch nicht daran, Dshamila vor den Dshigiten zu beschützen.
Nur Danijar blieb ernst. Als mein Blick auf ihn fiel, verging mir das Lachen. Er stand mit gespreizten Beinen allein am Rande des Druschplatzes, als wolle er im nächsten Augenblick loslaufen, um Dshamila den Händen der Dshigiten zu entreißen. Unverwandt sah er sie an, und aus seinem trüben, gebannten Blick sprachen Schmerz und Freude. Ja, für ihn bedeutete die Schönheit Dshamilas Glück und Leid zugleich. Als die Dshigiten Dshamila an sich drückten und sie zwangen, jeden zu küssen, ließ er den Kopf sinken; er machte eine Bewegung, als wollte er weggehen, blieb aber dann. Inzwischen hatte auch Dshamila ihn bemerkt. Sie hörte sofort auf zu lachen und senkte den Blick.
„Genug Unfug getrieben!" wies sie die außer Rand und Band
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