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Dshamila

Dshamila

Titel: Dshamila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tschingis Aitmatow
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Uniformmantel um die Schäfte seiner ausgetretenen Stiefel schlug. Dshamila hatte einen weißen Schal um Kopf und Hals geschlungen; sie trug ihr bestes Kleid, das bunte, in dem sie sich an Markttagen so gern gezeigt hatte, und darüber eine gesteppte Wattejacke. In der einen Hand hielt sie ein kleines Bündel, mit der anderen klammerte sie sieb an den Tragriemen, der über Danijars Schulter lief. Sie sprachen miteinander. Jetzt bogen sie in einen Fußpfad ein, der abseits vom Hauptweg durch dichtes Steppengras führte. Ich sah ihnen hilflos nach. Sollte ich rufen? Doch meine Zunge schien am Gaumen angetrocknet zu sein.
    Die letzten blutroten Strahlen der Sonne glitten am Gebirgskamm über eine rasch dahinziehende Herde scheckiger Wolken, und mit einemmal wurde es dunkel. Danijar und Dshamila wanderten, ohne sich umzusehen, in Richtung auf die Ausweichstelle der Eisenbahn weiter. Zweimal tauchten ihre Köpfe noch über dem Dickicht des Steppengrases auf, dann waren sie verschwunden.
    „Dshamilana!" schrie ich, was meine Stimme bergab. „-nna!" antwortete trostlos das Echo.
    „Dshamilaaa!" rief ich noch einmal und stürzte den beiden wie von Sinnen mitten durch den Fluß nach.
    Eiskaltes Wasser spritzte mir ins Gesicht, meine Kleider wurden naß und schwer, doch ich lief weiter, ohne auf den Weg zu achten, bis ich über etwas stolperte und mit aller Wucht lang hinschlug. Ich blieb liegen, ohne den Kopf zu heben. Tränen rannen über mein Gesicht. Die Dunkelheit schien sich schwer auf meine Schultern zu senken. In feinem, traurigem Ton pfiff der Wind durch die biegsamen Halme des Steppengrases. „Dshamila! Dshamila!" schluchzte ich, an den Tränen fast erstickend.
    Ich verlor die Menschen, die mir am liebsten waren, mir am nächsten standen. Und erst jetzt, als ich verzweifelt auf der Erde lag, begriff ich, daß ich Dshamila liebte. Ja, sie war meine erste, noch kindliche Liebe gewesen.
    Lange lag ich so, den Kopf an .den feuchten Ellbogen geschmiegt. Ich nahm nicht nur von Dshamila und Danijar Abschied, sondern von meiner Kindheit.
    Als ich im Dunkeln zu Hause anlangte, herrschte auf dem Hof große Aufregung. Steigbügel klirrten, Pferde wurden gesattelt. Der betrunkene Osmon führte Reiterkunststücke vor und schrie aus voller Kehle: „Man hätte diesen zugelaufenen Hundesohn schon längst aus dem Ail jagen sollen! Eine Schande ist das, eine Schmach für die ganze Sippe! Wenn, er mir in die Hände fällt, erschlage ich ihn auf der Stelle! Mag man mich verurteilen, ich lasse es nicht zu, daß jeder Hergelaufene unsere Frauen entführt! He, aufgesessen, Dshigiten, er kann nicht entkommen, wir erwischen ihn auf der Bahnstation!"
    Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Wohin ritten sie? Doch als ich mich überzeugt hatte, daß die Verfolger den Hauptweg zum Bahnhof einschlugen und nicht den Pfad zur Ausweichstelle, stahl ich mich ins Haus und verkroch mich in den Schafpelz meines Vaters, damit niemand meine Tränen sah.
    Was wurde danach im Ail nicht alles geredet und geschwatzt! Die Frauen verdammten Dshamila um die Wette:
    „Ist das eine dumme Gans! Aus so einer Familie wegzulaufen, ihr Glück mit Füßen zu treten!"
    „Möchte bloß wissen, was sie an ihm lockt! Sein einziges Gut ist der schäbige Soldatenmantel und ein Paar zerlöcherte Stiefel!"
    „Jetzt kann sie nicht mehr auf einem Hof voll Vieh wirtschaften. Was besitzt denn dieser heimatlose Herumtreiber, dieser Strolch? Was er auf dem Leib trägt, weiter nichts. Na, die Schöne kommt schon noch zur Besinnung, doch dann wird es zu spät sein."
    „Ja, eben. Ist denn Sadyk kein Mann, kein tüchtiger Hausherr? Der erste Dshigit im Ail!"
    „Und die Schwiegermutter! So eine gibt Gott nicht jedem! Da muß einer lange suchen, bis er eine solche Baibitsche findet. In ihr Verderben ist sie gerannt, die dumme Gans, für nichts und wieder nichts."
    Vielleicht habe ich damals als einziger Dshamila, meine ehemalige Dshene, nicht verurteilt. Wenn Danijar auch nur einen alten Soldatenmantel und zerlöcherte Stiefel besaß, ich wußte, daß er in seinem Herzen reicher war als wir. Nein, ich glaubte nicht, daß Dshamila mit ihm unglücklich werden könnte.
    Nur meine Mutter tat mir leid. Mir schien es, als sei mit Dshamila ihre einstige Kraft entschwunden. Sie ließ den Kopf hängen, magerte ab und konnte sich, wie ich heute weiß, nicht damit abfinden, daß sich das Leben zuweilen so schroff über die alten Grundsätze hinwegsetzt. Wie ein mächtiger Baum, den der

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