DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
Brust. Sein Kamerad senkte seine Pike. »Ihr werdet bitte mit uns kommen.«
»Ihr habt einen Fehler gemacht«, protestierte Burleigh, der die Entfernung zum Tor einschätzte. Wenn er in der Lage sein würde, durch den Eingang zu kommen, könnte er Tav und Dex zurufen, dass sie die Raubkatze freilassen sollten. Baby würde die Wachen lange genug beschäftigen, um ihm und seinen Männern ein Entkommen zu ermöglichen. »Ich verstehe das nicht …« Er schob sich näher zum offenen Tor – und zur Freiheit. »Ich bin ein Freund des Hofes. Ich bin Ehrenbürger der Stadt.«
»Eure Tage der Freiheit sind beendet, Schurke!«, rief Arnostovi erregt. Die Wachen ermahnte er: »Ergreift ihn sofort! Seht zu, dass er nicht entkommt!«
Die Wachleute traten vor. Burleigh streckte eine Hand aus, um ihnen Einhalt zu gebieten, und rief über seine Schulter um Hilfe. »Tav! Dex!«, schrie er nach hinten. »Beeilt euch!«
Da war eine schlurfende Bewegung jenseits des Tores zu vernehmen. Burleigh machte einen weiteren Schritt auf die Tür und die Schwärze dahinter zu. »Lasst Baby frei! Lasst sie jetzt …«, schrie er, doch seine Worte erstarben in seiner Kehle, als vier weitere bewaffnete Wächter erschienen, die Tav und Dex vor sich her schubsten. Mal und Con, die wund und unglücklich und noch schlimmer lädiert aussahen, schlurften hinterher.
Baby war nirgendwo zu sehen.
»Tut mir leid, Boss«, murmelte Tav niedergeschlagen. »Wir sind gefangen worden.«
»Gut gemacht, Hauptmann«, frohlockte Arnostovi, der vor Siegesfreude förmlich tanzte. »Der Stadtrat wird einen begeisterten Bericht über Eure Tapferkeit und Euren Einfallsreichtum hören.«
Burleigh wirbelte nach hinten zu seinen Anklägern herum. »Das ist unerträglich! Ich verlange, mit dem Kaiser zu sprechen!«
»Seid still«, befahl ihm der Hauptmann der Stadtwache. »Ihr werdet Eure Gelegenheit haben, vor dem Richter zu sprechen.«
Der Wachmann, der dem Gefangenen am nächsten war, legte eine Hand grob auf Burleighs Schulter und versetzte ihm einen Stoß. »Bewegt Euch!«
»Ich werde zusehen, wie man Euch auf dem Platz auspeitscht für das, was Ihr Engelbert angetan habt«, höhnte Arnostovi.
»Du erbärmlicher kleiner Mann«, blaffte Burleigh, als er an ihm vorbeikam; sein Gesicht war eine eingefrorene Grimasse des Zorns und der Frustration. »Du glaubst, du kannst mich aufhalten? Niemand kommt Archelaeus Burleigh in die Quere. Dafür wirst du bezahlen – das dicke Ende kommt für dich noch!«
»Wir werden ja sehen, wer bezahlt«, erwiderte Arnostovi und schnipste mit den Fingern in der Luft. »Schafft sie fort.«
Lord Burleigh, der vor Frustration und Entrüstung förmlich schäumte, wurde mit seinen Männern unter Bewachung fortgeführt. Da es spät war und die richterlichen Diensträume für die Nacht geschlossen waren, wurden sie direkt zum Kerker gebracht und eingesperrt, bis die Anklagepunkte auf förmliche Weise vorgebracht werden konnten und der Fall vor dem Gericht landen würde. Bis dahin würden sie tief unter dem Rathaus im vermodernden Verlies von Prag bleiben.
ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
E hrenwerte Mitglieder der Zetetischen Gesellschaft, ich heiße Sie willkommen zu der zweiundsiebzigsten Generalversammlung«, verkündete Mrs Peelstick und nahm ihren Platz am Tisch auf dem Podium ein. »Als Moderatorin der Sitzung des heutigen Abends möchte ich Ihnen allen danken, dass Sie so kurzfristig gekommen sind. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Sie nicht so dringend eingeladen hätten, wenn aufgrund der besonderen Situation diese Eile nicht erforderlich geworden wäre.«
Ihre Stimme, die durch den betörenden Singsang ihres schottischen Akzents weicher klang, gab keinen Hinweis auf die Krise, die die Angehörigen der Gesellschaft zusammengebracht hatte – achtzehn ehrwürdige Mitglieder, zusammengekommen aus Orten und Zeiten, die fünfzehn verschiedene Welten oder Dimensionen repräsentierten. Kit versuchte das noch immer zu begreifen, während sein Blick über die Zuhörerschaft glitt, die sich in der Genisa versammelt hatte. Dieser große obere Raum war für das besondere Treffen hergerichtet worden: Man hatte die Mitte von Büchern und Manuskripten freigeräumt und rund um einen achteckigen Tisch einen zweifachen Ring von Stühlen aufgestellt; und auf dem Podiumstisch gab es vier Kerzen, die nicht angezündet waren, eine Bibel und einen Hammer für den Redner. Kit konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Gemüter der Anwesenden
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