DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
jemals so heben würden, dass der Holzhammer erforderlich war, um die Diskussion zu beruhigen. Dem fortgeschrittenen Alter der meisten Teilnehmer nach zu urteilen, wäre er überrascht gewesen, wenn sie irgendetwas Anstrengenderes als Geranien heben könnten.
Seit fünf Tagen waren er und Cass nun in Damaskus. In dieser Zeit hatte er Brendan, Mrs Peelstick und Cass’ Vater Tony Clarke kennengelernt. Vor zwei Tagen hatten sich Gianni und Wilhelmina zu ihnen gesellt, die nach der Beendigung der Arbeit in Rom ihren Weg nach Damaskus gefunden hatten. Kit hatte eine Veränderung in dem normalerweise optimistischen Auftreten des Priesters bemerkt.
»Was ist in Rom passiert?«
Kit hatte dies Wilhelmina gefragt, als nach ihren ersten Begrüßungen Gianni sich entschuldigt hatte und schnurstracks auf Tony Clarke zugegangen war.
»Ich würde es nicht eine völlige Zeitverschwendung nennen«, hatte Mina berichtet. »Das Laboratorium im Vatikan war sehr hilfreich, und wir haben ein paar Dinge gelernt – Gianni besonders –, doch wir haben keine endgültige Analyse der Seltenen Erde erhalten. Wir wissen immer noch nicht, was die Schattenlichter antreibt.«
»Doch was ist mit unserem Freund?«, wunderte sich Kit. »Der arme Kerl sieht aus, als ob er das Gewicht der Welt tragen würde.«
»Ich bin mir nicht sicher. Was auch immer es ist, es handelt sich um etwas, das er von seinen Kollegen am Observatorium gehört hat. Ich habe ihn nie zuvor so aufgeregt gesehen.«
Die gegenseitige Vorstellung von Gianni und Tony – wie das Zusammentreffen von Flamme und Zündschnur – löste eine Serie von düsteren und angstvollen Besprechungen hinter verschlossenen Türen aus. Die anderen wussten nicht, worüber sie sich berieten, aber was auch immer es war: Es musste besorgniserregend genug gewesen sein, um Brendans plötzliche Entscheidung zu rechtfertigen, eine Generalversammlung der Gesellschaft einzuberufen – eine Konvergenz der Köpfe, wie er es nannte. »Wir können das nicht alleine machen«, hatte man Brendan sagen hören. »Wir brauchen die Unterstützung unserer Mitglieder.«
Gleich am nächsten Morgen waren die ersten Angehörigen der Zetetischen Gesellschaft eingetroffen. Wie sie herbeigerufen worden waren, hatte Kit niemals entdeckt; doch während der nächsten beiden Tage stiegen alle Mitglieder, die die Reise machen konnten, in Damaskus ab. Während er sie nacheinander kennenlernte, hatte es Kit schon nach kurzer Zeit beeindruckt, wie sehr sie sich alle in ihrem Temperament, in ihrer Kühnheit und ihrem Aussehen ähnelten: Sie waren geistreich, abenteuerlustig, weise und ein wenig schrullig – eher sehr sogar, genau wie sein lieber, verschiedener Urgroßvater Cosimo.
Was die Nachricht betraf, dass Cosimo und Sir Henry gestorben waren: Sie wurde mit Bestürzung und tief empfundener Anteilnahme aufgenommen. Ein Mitglied – eine ältere Unruhestifterin namens Tess – nahm es auf sich, einen Gedenkgottesdienst für die beiden zu organisieren. Er hatte zur Abendandacht im Kloster der heiligen Thekla, wo die meisten Mitglieder der Zetetischen Gesellschaft wohnten, in der dortigen Kapelle stattgefunden. Der Gottesdienst war einfach und herzlich, und während der Gebete bemerkte Kit, dass er in einer Weise ergriffen war, die über eine bloße Rührung weit hinausging. Als Brendan aufstand, um ein abschließendes Gebet zu sprechen, brandete in Kit von irgendwo tief in ihm eine so starke Trauer hoch, wie er sie noch nie zuvor gekannt hatte, und überwältigte ihn. Während er den Kopf gesenkt hielt, flossen Tränen seine Wangen hinab und fielen auf seine gefalteten Hände. Er hatte Cosimo nicht wirklich und nicht allzu lange gekannt, doch die Blutsbande waren stark; und zum ersten Mal seit dem vorzeitigen Ableben seines Urgroßvaters – seit seiner Ermordung, genau genommen – gestattete sich Kit zu trauern. Die lange aufgestauten Gefühle des Leids und Bedauerns brandeten über die natürlichen Schutzmauern, und die Tränen flossen in bittersüßer Erinnerung.
Wenn ich doch nur wachsamer gewesen wäre und früher gehandelt hätte , dachte Kit, dann hätte ich etwas unternehmen können, um Burleigh daran zu hindern, ihn umzubringen. Wenn ich ihm ein besserer Freund gewesen wäre, würde Cosimo immer noch am Leben sein – und Sir Henry ebenfalls.
Der Gottesdienst in der kleinen Klosterkapelle – die spärlich bis hin zum Spartanischen eingerichtet war, aber wirkmächtiger wegen ihrer Einfachheit – erwies sich als
Weitere Kostenlose Bücher