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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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er sich würde festhalten können – das wusste er nicht.
    Um eine Biegung nach der anderen wurden die beiden geschleudert. Der Esel entglitt ihm, als der Kadaver gegen eine Wand raste, doch Charles erlangte seinen Halt zurück, indem er seinen unverletzten Arm um den Hals des Tieres schlang. Er fühlte, wie sein Bewusstsein dahinschwand. Er spürte, wie an den Rändern seines Blickfeldes die Dunkelheit drohend näher rückte. Ihm war klar, dass er nicht mehr viel länger imstande sein würde, bei Bewusstsein zu bleiben.
    »Sekrey!«
    Der Ruf war gerade noch hörbar über dem Geräusch des krachenden Wassers. Charles glaubte, er würde es sich bloß einbilden – bis der Schrei erneut kam.
    »Sekrey!«
    Er reckte den Hals und drehte den Kopf herum, seine Augen überflogen die Wände der Schlucht, während sie an ihm vorbeirasten. Und dann sah er eine Hand, die aus der Wand herausragte. Während er rasch näher gewirbelt wurde, erhaschte er einen Blick auf einen dunklen Schädel mit Haar und darunter Shakirs Gesicht. Der junge Mann lehnte sich aus einer Spalte in der Wand heraus – er beugte sich noch weiter hinaus und streckte den Arm nach ihm aus.
    Charles löste seinen Griff um den Hals des Esels und warf sich in Richtung Shakir – zwang sich über den Abstand hinweg. Ihre Hände versuchten, sich zu packen, schnappten einander, und Finger suchten nach einem Halt. Mit einem gewaltigen Schrei ergriff der junge Ägypter ihn und hielt ihn fest; langsam zog er Charles zur Seite, aus dem direkten Sog der Strömung heraus. Shakir war jedoch nicht kräftig genug, um ihn ganz aus dem Wasser zu befördern; und Charles konnte sich nicht aus der Strömung freikämpfen. Er fühlte, wie seine Hand abrutschte, und er wurde aus Shakirs Griff weggezerrt.
    Charles sah den entsetzten Blick in dem jungen Gesicht, dessen Mund sich zu einem Schrei formte. »Sekrey!«
    Nun übergab sich Charles seinem Schicksal. Er ließ sich treiben und bemühte sich nicht, zu kämpfen oder zu schwimmen; er gestattete der Flut, sich durchzusetzen. Erneut stieß er gegen den Kadaver des Esels und warf erneut seinen unverletzten Arm um den Hals der toten Kreatur, dann entspannte er sich und ließ sich vom Wasser forttragen.
    Einige Zeit später und weiter stromabwärts schien die Furcht erregende Stärke langsam aus dem Fluss zu entschwinden; und der Pegel des Wassers begann zu fallen. Und mit jedem nachfolgenden Rückgang an Wassertiefe fiel der Pegel schneller: Es war wie bei einem umgestürzten Gefäß, das den letzten Rest seines Inhalts in einem Rutsch herausgab. Auf diese Weise wurde Charles auf den Boden der Schlucht abgesetzt. Bald war er imstande, die Füße unter seinen Körper zu ziehen, stand auf und stemmte sich gegen die Strömung.
    Direkt vor ihm sah er das Tageslicht durch die Lücke zwischen den Wänden. Ein paar Dutzend Yards später ging Charles aus dem Wadi heraus und in die Wüste hinein. Die Sturzflut hatte tiefe Risse in dem weichen Wüstenboden gegraben; und diese Rinnen breiteten sich wie eine Vielzahl von Fingern aus und füllten sich immer noch mit Wasser, das sie abfließen ließen – hinein in die trockene Leere des unbelebten Tieflandes jenseits der Hügel. Der Sturm fegte heulend über die Wüste hinweg und verausgabte seine rasende Wut über den trostlosen Ödflächen. Charles watete hinaus auf eine der kleinen Sandbänke in diesem Delta und brach zusammen, wobei er vorsichtig seinen gebrochenen Arm hielt. »Gott sei Dank«, flüsterte er mit jedem Pulsschlag seines Blutes in den Adern. Er spürte das in Tuch gewickelte Bündel unter seinem Hemd. »Gott sei Dank.«
    Shakir fand ihn kurze Zeit später und half Charles auf die Füße; und die beiden begannen mit ihrem langen Weg zurück zum Fluss. Sie waren noch nicht weit gegangen, als sie einen Ruf vernahmen: Drei der Arbeiter kamen herbeigerannt, um sie abzuholen; vier andere standen bei den übrig gebliebenen Eseln.
    Charles’ Erleichterung wich jedoch bald dem Bedauern; zwei Männer wurden vermisst und in der Folge nicht mehr wieder gesehen. Der Marsch gab Charles reichlich Zeit, um darüber nachzudenken, was geschehen war und welche Rolle er dabei gespielt hatte; und mit jedem Schritt brannten seine Schuldgefühle und seine Scham heißer. Zwei Männer waren wegen seiner Halsstarrigkeit ertrunken. Er wurde überwältigt von Gewissensbissen.
***
    Drei Tage später saß er mit gerichtetem und bandagiertem Arm am Flussufer und wartete auf das Boot, reumütig und von

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