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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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schleuderte ihn nach vorn. Charles wurde mit dem Kopf voraus in das Wasser hineingeschleudert. Einen Augenblick später krachte die Welle über ihn hinweg: überflutete ihn, tauchte ihn unter, walzte ihn nach unten gegen den felsigen Boden und hielt ihn dort fest.
    Gefangen in der grimmigen Strömung – unfähig, sich ihr entgegenzustemmen –, wurde Charles hochgewirbelt wie ein Korken in einer reißenden Sturzflut. Sich drehend und immer wieder fallend, wurde er den Boden der Schlucht entlanggestoßen; er schlitterte in Felsen hinein, und Steine hämmerten auf ihn ein. Vergeblich versuchte er, sich aufzurichten und sich seinen Weg zur Oberfläche zu erkämpfen. Der große Schluck Luft, den er noch geschnappt hatte, bevor die Welle ihn in sich aufgenommen hatte, war nicht genug. Seine Lungen brannten. Bei dem verzweifelten Versuch, die Oberfläche zu finden, öffnete er im trüben Wasser seine Augen, konnte jedoch nichts sehen. Er trat mit seinen Beinen aus und schlug mit seinen Armen wild um sich in der verzweifelten Hoffnung, Kontakt mit etwas Festem zu bekommen – doch ohne Erfolg.
    Seine Lungen schmerzten bis zu dem Punkt, dass sie zu zerplatzen schienen, und er konnte spüren, wie sein Bewusstsein fortzugleiten begann; er fühlte sich zunehmend benommen. Dann, gerade als er den letzten Rest seiner verbrauchten Luft ausströmen ließ, klatschte seine Brust gegen den Boden des Wadis. Er zog seine Füße unter sich heran, schob seinen Körper mit jedem Quäntchen seiner verbliebenen Kraft an und schoss aufwärts. Er brach durch die Oberfläche genau in dem Augenblick, als seine erschöpften Lungen einatmeten.
    Wasser ergoss sich seine Kehle hinunter, und er verschluckte sich daran. Doch sein Kopf war jetzt über der Oberfläche, und er kämpfte hart darum, oberhalb der aufgewühlten Wellen zu bleiben. Äste stießen gegen ihn, Steine, die aus ihren Verankerungen herausgerissen worden waren, schlugen gegen ihn: Charles jedoch ignorierte die heftigen Stöße und Schläge; er schlug wild mit Armen und Beinen um sich, um seinen Kopf über Wasser zu halten – er weigerte sich, der Strömung zu gestatten, ihn abermals nach unten zu ziehen.
    Diese Strategie hatte seinen Preis. Denn als die Flut um die zahlreichen Biegungen des Wadis raste und dabei stets zuerst gegen die eine Seite krachte und dann gegen die andere, wurde Charles zusammen mit den Wellen umhergeschleudert. Und mit jedem sich Drehen und Winden hob ihn das wilde Wasser näher an die Felsenwände. Eine Kollision war nicht zu verhindern.
    Charles knallte gegen den Vorhang aus Stein, und der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. Er schluckte und würgte einen Mundvoll Wasser hinunter, bevor er wieder atmen konnte. Die Flut brandete um die nächste Biegung herum, und als das tobende Wasser ihn gegen die nächste Uferwand trieb, versuchte er, sich auf den Aufprall vorzubereiten. Er streckte seine Hände aus, um die volle Wucht des Schlags abzuwehren, doch der Winkel war zu spitz und die Wand des Wadis tauchte zu schnell auf. Sein linker Arm schrammte gegen die Kante einer vorspringenden Felsplatte, und er wurde seitlich gegen die Wand geschleudert, wobei sein rechter Arm die volle Gewalt des Aufpralls aushalten musste. Er spürte, wie der Stoß durch seinen ganzen Körper ging und sein Arm brach; die Knochen gaben wie Kleinholz nach.
    Der Schmerz schoss durch ihn hindurch, und sein Kopf geriet unter Wasser. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sich Charles abermals zur Wasseroberfläche hoch. Doch ohne seinen rechten Arm einsetzen zu können, vermochte er nur, seinen Kopf gerade noch über dem peitschenden Chaos der Wellen zu halten. Der Schmerz zehrte ihn auf. Er konnte nicht mehr sehen. Er konnte nicht mehr denken. Benommen und verwirrt spürte er, wie eine Taubheit sich durch seinen Körper schlich, die seine Sinne dämpfte.
    Er schlug mit seinem unverletzten Arm wild um sich und versuchte, in die Mitte der Rinne zurückzukehren. Bei einem seiner Hiebe berührte seine Hand etwas – eine Masse, die nachgab und von Haaren bedeckt zu sein schien. Ohne nachzudenken, packte er danach und zog sich selbst dorthin – und ertappte sich dann dabei, wie er sich am Kadaver eines toten Esels festhielt.
    Charles wickelte seine Arme um den Hals der armen, ertrunkenen Kreatur und hielt sich an ihr fest. Gemeinsam sausten sie beide dahin, und Charles war in der Lage, über Wasser bleiben, indem er sich an den schwimmenden Leichnam des Tieres klammerte. Wie lange

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