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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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Moritat im Sinn. Aber erst viel später im Jahr, wir arbeiteten bereits am Weihnachtsengel-Programm, bekam Jürgen den richtigen Dreh. Der Song war fertig, aber trotzdem war ich noch nicht richtig zufrieden. Gut, ich hatte ein Lied geschrieben, das Kevin und Khalil gewidmet ist. Aber das reichte mir nicht, denn wann läuft so ein Song schon mal im Radio?! Deshalb entstand die Idee, den beiden ein echtes, handfestes Denkmal zu errichten. Und an dieser Stelle kommen meine Freunde Anton Fuchs, Wolfgang Loesche und Dennis Thies ins Spiel.
    Um nicht wieder die immer gleichen Musiker anzurufen, wollte ich in diesem Fall bildende Künstler einbinden. Zusammen gründeten wir die KKKK-Initiative: Kölner Künstler für Kevin und Khalil. Mein Grundgedanke war: Hier soll keine riesige, teure oder auch künstlerisch aufwendige Skulptur entstehen, die dann womöglich nie realisiert wird. Sondern etwas Machbares! Wir brauchen, als Symbol für den Einsturz, einen Doppel-T-Träger, der aus dem Rahmen fällt. So hoch wie zwei Männer. Und im Sockel eine Reihe umkippender Bücher. T-Träger kann man kaufen, ein Rahmen samt Fundament ist auch relativ schnell gemacht. Die Namen der Toten, so der Plan, werden per Laser in die T-Träger geschnitten.
    »Un dann es et widder keiner jewäse« hatten wir zum freien Download ins Netz gestellt. Mir ging es darum, dass die Menschen das Lied hören sollten, ich wollte kein Geld damit verdienen. Stattdessen baten wir nun darum, das Runterladen mit einer kleinen Spende für das zukünftige Denkmal zu verbinden. Das Konto existiert bis heute, und es laufen auch weiterhin Gelder ein. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an all die Menschen, die diese Aktion mit großen und kleinen Spenden unterstützen. Wolfgang Loesches Sohn Martin baut unter anderem Kulissen fürs Fernsehen, der hat unser Modell gefertigt. Und damit sind wir dann immer wieder zu irgendwelchen Stadtoberen gelaufen. Die Reaktionen waren zum Teil erschütternd. Irgendwer meinte zum Beispiel, im Archiv hätten keine Bücher, sondern Kisten und Kartons gelagert. Wenn man so etwas hört, ist man sprachlos. Ob unser Denkmal je an der Unfallstelle realisiert wird, steht in den Sternen. Aber solange die Diskussion dazu führt, dass der Toten weiterhin gedacht wird, bin ich zunächst einmal zufrieden.
    Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, aber ich denke, Kevin und Khalil sind für uns gestorben. Wenn die Archivangestellten und -besucher von den Bauarbeitern nicht gerade noch rechtzeitig gewarnt worden wären, hätten es 30 Tote sein können. Es hätten auch Hunderte Menschen sterben können, schließlich ging dort nur ein paar Tage vorher der Rosenmontagszug vorbei. Stattdessen jedoch sind nun zwei Menschen tot, die im Nachbarhaus wohnten, einer von ihnen ein Bäcker, der sich nach seiner frühen Schicht ins Bett gelegt hatte. Zwei Tote sind zwei zu viel. Kevin und Khalil sind für uns diesen Weg gegangen. Und sie dürfen nicht vergessen werden.

EIN URCHRISTLICHER GEDANKE
    »Un dann es et widder keiner jewäse« wurde schließlich zum Schlusslied von »Dummer nit esu«, meinem Soloalbum von 2010. Der Titelsong wiederum schlägt in eine ganz ähnliche Kerbe wie »Du bes Kölle«. Auch hier geht es um die Auseinandersetzung mit der Stadt und vor allem mit ihren Bewohnern. Die Kölner glauben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Ist aber nicht so. Und sie glauben, sich über alles um Köln herum erheben zu dürfen. Stimmt ebenfalls nicht:
    Et höt uns kölsche Muttersproch
Nit an d’r Stadtjrenz op
E paar Millione Minsche
Han die Sproch jot drop (...)
    Dummer nit esu
Als helt de Iesebahn
Nur bei uns en Kölle
Dummer nit esu
Als jöv et Halven Hahn
Nur bei uns en Kölle.
    Ich mache selbst gern mal ein Witzchen über »Jläbbich« oder »Overoth«. Aber auch die Peripherie – von Bergisch Gladbach bis Berg-heim – spricht Kölsch, selbst wenn es ein bisschen anders klingt. Den Text hat Robert Pütz geschrieben, und er versucht, den Leuten einen Spiegel vorzuhalten: Hier, seht einmal genau hin! Seht ihr da irgendeinen Grund für Überheblichkeit? Wenn man so will, steckt hinter diesem Lied ein urchristlicher Gedanke: Tun wir doch nicht so, als seien wir etwas Besseres, lasst uns lieber von unserem hohen Ross herabsteigen, um uns in Toleranz und Nächstenliebe zu üben. Als Sänger gefällt mir übrigens auch dieser Satz an sich: »Dummer nit esu« ist eine wunderbar rhythmische Sequenz. Und für alles, was danach in den

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