Du bes Kölle: Autobiografie
ausgedrückt: Es geht mir darum, Zeit für mich selbst zu haben. Ich produziere nicht jedes Jahr eine Platte, ich stehe nicht jeden Tag auf irgendeiner Bühne und gebe keine 20 Interviews die Woche. Niemand auf der Welt semmelt mir meinen Kalender mit Terminen voll, nur weil irgendeine Angelegenheit vermeintlich furchtbar wichtig ist.
Auch schon bei den Fööss habe ich mir immer meine Auszeiten genommen. Das habe ich hingekriegt, obwohl wir nun wirklich viel gearbeitet haben damals. Man war jung, und sechs Leute mussten von unserer Musik »am Kacke blieve«, wie man in Köln sagt. Ganz zu schweigen von unseren Technikern, Fahrern und den anderen Menschen, die unmittelbar von der Band abhingen. Aber erst nach der Trennung ist es mir wirklich gelungen, mein Zeitzepter selbst in die Hand zu nehmen.
Auf unserem »Morje Morje«-Album von 1982 findet sich das Lied »D’r Minsch muß singe Schlof han«. Der Text stammt hauptsächlich von mir, und das ist, denke ich, auch kein Zufall. Die Musik fängt die Stimmung des Songs wunderbar ein, man höre nur mal auf den Bass am Anfang. Der geht so eiernd nach unten, als schlafe er selbst gerade ein. Allerdings enthält der Song auch eine Zeile, die bandintern ziemlich umstritten war:
Wenn ich mich eets ens läje
Kann mich nix mih bewäje
Do kanns de minge Lolli han
Dat es m’r doch ejal
Ich glaube, es war Peter Schütten, der sich an dem Lolli stieß. Das könne man doch nicht singen, meinte er. Aber warum nicht, das habe ich bis heute nicht verstanden.
Es gibt diese Redewendung: Schlafen kannst du immer noch genug, wenn du erst mal in der Kiste liegst. Die halte ich aber für Blödsinn. Ich jedenfalls habe immer gerne geschlafen, denn der Schlaf gehört zum Leben dazu. Wie vieles andere, so kultiviere ich auch meinen Schlaf. Zumal ich in meinem Beruf nie feste Schlafzeiten hatte.
»Ich kann arbeiten!« Diesen Satz darf man mir hundertprozentig abnehmen. Und dann füge ich allerdings direkt hinzu: »Wenn ich muss!« Denn ich war nie der Fleißigste. Ich habe immer versucht, möglichst bequem zu leben. Deshalb delegiere ich gern. Mir kann niemand etwas vormachen, ich habe keine zwei linken Hände. Schließlich habe ich eine Handwerkerlehre hinter mir, ich kenne mich mit Elektrik aus und habe Motoren auseinander- und wieder zusammengebaut. Aber ich habe auch gelernt, dass es mir besser bekommt, wenn ich manche Dinge in andere Hände gebe. Mir reicht, zu wissen, dass ich dieses oder jenes könnte. Den Chrom an meinem Motorrad pflege ich selbst, genau wie mein Schiff. Aber ich muss nicht wirklich alles selbst machen. Ich brauche meine Zeit, ich brauche meine Freiheit, und wenn mir jemand Arbeit abnimmt, dann zahle ich auch gerne den Preis dafür.
Meinetwegen kann man in diesem Verhalten etwas Kölsches entdecken, einen kölschen Buddhismus, wenn es so etwas gibt. Vielleicht habe ich ein bisschen was vom Tünnes. Müßiggang bedeutet für mich nicht, auf der faulen Haut zu liegen und nichts zu tun. Sondern den Kopf frei zu kriegen und sich zu fragen, was man im Leben noch tun möchte.
Mir reicht das, was ich erreicht habe, vollkommen. Ich habe auch nie bereut, dass ich es in der Schule nur bis zum Hauptschulabschluss gebracht habe. Ich stehe auf Bühnen, seit ich zehn bin, hatte mit 13 meine erste Band und war mit 21 dreifacher Vater. Ich würde gern besser Englisch sprechen, nun gut. Das musste ich mir alles durch Plattenhören selbst beibringen. Ich spiele weder Golf noch Tennis und besitze kein Pferd. Stattdessen – und statt der mittleren Reife oder dem Abi – hätte ich lieber noch den Flugschein gemacht. Das ist ein unerfüllter Traum von mir: alleine fliegen zu können. Aber ansonsten habe ich ein wirklich gutes Leben. So empfinde ich das, mir fehlt nichts. Wenn sich dann trotzdem noch mal so eine Erfolgsgeschichte wie »Du bes Kölle« entwickelt, freue ich mich – gar keine Frage. Aber viel wichtiger ist mir, gesund zu bleiben und meine Enkelkinder wachsen zu sehen.
KEINE KÖLSCHEN KELLYS
Mein 50-jähriges Bühnenjubiläum fiel mit meinem 60. Geburtstag zusammen, das passte ganz gut. Und weil ich im November geboren bin, konnten wir die Feier 2009 mit einem Weihnachtsengel-Konzert verbinden. Alle Menschen um mich herum haben sich unheimlich viel Mühe gegeben, um mir einen schönen Abend zu bereiten. Eine Abordnung von Brings lief auf und die kompletten Höhner und Paveier. Die Bläck Fööss waren natürlich nicht gekommen, aber immerhin Erry Stoklosa. Purple
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