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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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Rheinauhafen hatte ich den Künstler Wolfgang Loesche kennengelernt. Mit ihm setzte ich mich zusammen, um eine Idee zu entwickeln. Und das Ergebnis finde ich noch immer außerordentlich gelungen. Was man auf dieser Bahn letztlich sieht, sind Porträts von mir aus sechs Lebensjahrzehnten. Was man hingegen nicht sieht, ist die Arbeit und sind die technischen Komplikationen, die dahintersteckten. So eine Bahnfassade ist nicht eben, die erfordert zig verschiedene Klebetechniken. Alle Flächen, die in die Fenster hineinreichen, müssen perforiert sein, und sämtliches Material muss zudem dem Wetter trotzen.
    Im Thielenbrucher KVB-Museum wurde meine Bahn dann feierlich enthüllt, und ich musste eine kleine Rede halten. Darin erinnerte ich an unseren alten Fööss-Song »Die Drei vun d’r Linie 2«, der 1975 als Auftragsarbeit für die KVB entstanden war. Ich glaube, damals ging es um die Einweihung einer U-Bahn. Jedenfalls standen wir dann in einem alten Pferdewaggon und sangen von jener Zeit, da man eine Bahn noch mit drei Leuten bestückte:
    Die Zick vun dä 3 op d’r Linie 2
Die es schon zick langem, zick langem vorbei.
Des Morjens, do fuhr mer zosamme erus,
Hück fährt nur noch einer de Bahn oder Bus.
    Und natürlich habe ich es mir auch nicht nehmen lassen, von meinem Rauswurf aus einer Straßenbahn in den 60er-Jahren zu erzählen. Die Zeiten waren damals noch andere, vor allem lange Haare waren manchmal ein echtes Problem. Eines Tages stieg ich in die 21, die von Sülz aus über den Barbarossaplatz die Ringe hochfuhr. Vorn in der Bahn regierte der Schaffner über einen kleinen Schalter mit Kasse. Eigentlich wollte ich wohl zum Rudolfplatz, wie meistens abends, denn da lag ja der Star-Club. Aber an diesem Tag war an der nächsten Haltestelle Endstation für mich. »Du nicht, hau ab!«, sagte der Kerl mit der KVB-Uniform. Man sieht sie ja heute noch manchmal in Rückschauen, diese Ewiggestrigen. Die Gesellschaft der 60er-Jahre war noch dicht durchsetzt von denen. Und dann hat er mich rausgeworfen, dieser Schaffner.
    2009 war diese Geschichte über 40 Jahre her, verjährt sozusagen. Deshalb konnte ich sie in meiner Ansprache gut als Pointe nutzen. »Früher habt ihr mich rausgeschmissen aus eurer Bahn«, sagte ich. »Und jetzt habe ich selbst eine.«
    »Meine« Bahn gondelt bis heute durch Köln, oberirdisch und zumeist als Linie 1 oder 7. Ich habe es nicht so mit Stolz, bei diesem Wort sehe ich immer einen aufgeblasenen Hahn, der durch die Hühner stolziert. Aber wenn ich sie vorbeifahren sehe, die Tommy-Engel-Bahn, dann freue ich mich.

DER ARCHIVEINSTURZ
    Was mich auf die Palme brachte nach der Katastrophe am Waidmarkt, war das elende Geschwätz der jeweiligen Funktionsträger. Jeder hatte eine faule Erklärung parat, die ihn von aller Verantwortung freisprach. Jeder sah nur nach seinem eigenen Hemd, und das vor dem Hintergrund, dass dort zwei junge Menschen gestorben waren.
    Als ich vom Einsturz erfuhr, bin ich sofort aus dem Haus. Mein erster Weg führte zur Comedia Colonia, wo schon zahlreiche Menschen vor der Tür standen. Alle waren völlig schockiert, und auch ich konnte überhaupt nicht fassen, was dort geschehen war. Jeden einzelnen Tag komme ich dort vorbei, und plötzlich ist dieses Haus nicht mehr da. Nur noch ein gigantischer Trümmerhaufen. In den ersten Stunden nach dem Einsturz war noch von 30 Opfern oder mehr die Rede. Stattdessen waren es zwei. Zwei junge Menschen, die wahrscheinlich im Schlaf in den Tod gerissen wurden. Die Kölner haben in den nächsten Tagen sehr viel Anteil genommen. Blumen wurden abgelegt für Kevin und Khalil, gedenkende Sprüche wurden hinterlassen, und vorm Schaufenster von ten Eikelder, dem Teppichhändler auf der Severinstraße, stand für geraume Zeit ein kleiner Altar. Aber die Papiere wurden nass und die Fotos vergilbten. Irgendwann verschwand der Altar, das Vergessen setzte ein. Natürlich sprach man noch lange überall vom Stadtarchiv. Von Kevin und Khalil jedoch war bald kaum noch die Rede.
    Damit wollte ich mich nicht abfinden, ich musste etwas tun für die Jungs. Aber ich brauchte eine ganze Weile, bis ich diesen Wahnsinn in einem Song verarbeiten konnte:
    Un dann es et widder keiner jewäse
Un dann wor et widder keiner schuld
Et hät wie su off an jet anderem jeläje
Un et hät jo och keiner jewollt
Nä – un et hät jo och keiner jewollt
    Auch Jürgen Fritz hat in diesem Fall sehr lange gebraucht, um die richtige Musik zu finden. Zunächst hatten wir eine Art

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