Du bist das Boese
öffnete einen kleinen Kühlschrank und schenkte kalte Limonade in ein Glas.
»Sie sind jung, Dottor Balistreri, aber Sie haben so Ihre Erfahrungen gemacht. Ich weiß, dass Sie einiges erlebt haben …«
Genau das waren seine Worte, was mir noch einmal bestätigte, dass er sich im Besitz eines regelrechten Dossiers über mich befinden musste.
»Ich habe ein paar Dummheiten angestellt und ein paar Dinge richtig gemacht, wie jeder Mensch.«
»Das Wichtige ist, aus den Fehlern zu lernen. Auch der Übermensch Ihres geliebten Nietzsche wird sich eines Tages vor Gott wiederfinden …«
Nun, es war ein schwerer Fehler, was ich vor zwölf Jahren getan hatte. Eine Todsünde sogar. Aber ich hatte gewiss nicht die Absicht, mit Cardinale Alessandrini darüber zu sprechen.
»Wie ich sehe, ist es da draußen gestattet zu rauchen?« Ich zeigte auf die Terrasse, um das Thema zu wechseln.
»Selbstverständlich, der Vatikan unterliegt schließlich nicht der ›Gerichtsbarkeit‹ des Conte. Gesellen Sie sich ruhig zu Angelo, wenn Sie möchten«, scherzte er. Liebenswert, ironisch. Aber er wirkte auch etwas abwesend, als würde er einem Gedanken nachhängen.
Ich ging nach draußen, ließ meinen Freund arbeiten und rauchte zwei Zigaretten hintereinander.
Dann klingelte im Arbeitszimmer das Telefon. Während der Kardinal sprach, fragte ich Angelo, wie lange es wohl noch dauern würde. »Bin gleich fertig«, brummte er, blieb aber ernst und nachdenklich. Ich verwünschte Alessandrini dafür, dass er solch eine Macht über meinen Freund hatte. Es gefiel mir nicht, ihn wegen seines priesterlichen Gebieters so sorgenvoll zu sehen. Und es schmeckte mir überhaupt nicht, dass Angelo so unterwürfig war.
Der Kardinal beendete das kurze Telefongespräch mit einem trockenen: »Wir treffen uns dort um Viertel vor sieben.«
Angelo brachte ihm die Dokumente hinein. »Es ist alles in Ordnung, Eminenz. Die endgültige Liste lege ich Ihnen auf den Schreibtisch, Sie können sie dann morgen früh abzeichnen, bevor die Gäste eintreffen. In der anderen Angelegenheit werde ich tun, was ich kann …«
»Da bin ich mir sicher. Ich würde vorschlagen, wir gehen jetzt. Es ist schon zehn nach sechs, und ich muss in den Vatikan. Und Sie haben vermutlich auch noch etwas vor heute Abend.«
»Sehen Sie sich nicht die Partie an, Eminenz?«, fragte ich.
»Ich bin auch nur ein Mensch, Dottor Balistreri. Ich werde versuchen, um halb neun zurück zu sein.«
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten. Ich sah noch ein letztes Mal zu dem offenen Fenster im zweiten Stock hoch. Die Göttin würde ich mir wohl aus dem Kopf schlagen müssen.
Signora Gina war schon unterwegs zur Messe. Der Kardinal verabschiedete sich eilig und stieg in ein Taxi, das vor dem Gittertor auf ihn wartete.
Als wir gerade in den Cinquecento steigen wollten, verließ der Conte die Villa A, gefolgt von einer sehr viel jüngeren Frau und einem großen jungen Mann mit Motorradhelm und muskelbepackten Oberarmen, die aus den Ärmeln seines T-Shirts hervorschauten. Wie üblich stand neben dem Aston Martin die Harley Davidson. Der Conte legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und öffnete mit der Fernbedienung das Gittertor. Dann fuhren sie fort, er und Ulla mit dem Wagen von James Bond und der Junge mit dem Motorrad aus Easy Rider .
Als wir bei Paola eintrafen, waren schon einige Gäste da. Angelo verschwand umgehend in der Küche, um das Essen vorzubereiten, und ich bot mich an, die lange Tafel vor dem Fernseher zu decken. Dann begrüßte ich gemeinsam mit Paola die Gäste, weil ich auf diese Weise die Mädels schon bei ihrer Ankunft begutachten konnte. Mein Bruder Alberto kam mit der eleganten jungen Frau, die er später heiraten sollte. Hin und wieder ließ ich mich in der Küche blicken, wo Angelo zwischen dem Herd und seinem gefüllten Weinglas zunehmend ins Schwitzen geriet. Er war ganz in die Zubereitung seiner Penne all’arrabbiata vertieft, assistiert von Cristiana, einer kleinen Rothaarigen mit beachtlicher Oberweite und einer Jeans, die ihren knackigen Hintern bestens zur Geltung brachte. Die Abstände zwischen meinen Abstechern in die Küche wurden immer kürzer, bis ich mich schließlich ganz dort einrichtete, um mit Cristiana zu plaudern.
Um acht Uhr bevölkerten etwa fünfzig Gäste die Wohnung. Durch die offenen Fenster drang noch die Hitze des Nachmittags herein, und aus den umliegenden Häusern schallte das Gelächter der Nachbarn, die sich ebenfalls mit Freunden für
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