Du bist das Boese
dieses Ereignis zusammengefunden hatten. Ich warf einen Blick auf die Straße. Absolut ausgestorben.
Alle waren in Partylaune. Nach mehreren Gläsern Weißwein verstiegen Cristiana und ich uns zu kühnen Hypothesen darüber, welchen Unterschied es wohl machte, als Sieger oder als Verlierer Sex zu haben.
»Du bist ein sympathischer, aber gefährlicher Dummkopf, Michele. Paola hat mich vor dir gewarnt.«
In Wirklichkeit war Paola eine wahre Freundin. Sie wusste nur zu gut, dass die Frauen von solchen Warnungen angelockt wurden wie die Motten vom Licht.
»Vorsicht, ich könnte dich wegen Beamtenbeleidigung festnehmen.«
Sie lachte. »Müssen Sie mir dann Handschellen anlegen, Commissario?«
»Das müsste ich, und dann würde ich Sie einer gründlichen Leibesvisitation unterziehen. Und sollten Sie Widerstand leisten …«
»Um mich zum Reden zu bringen, müssten Sie mich schon übel misshandeln, Signor Commissario. Vielleicht sogar auspeitschen.«
Ich warf einen unverhohlenen Blick auf ihr Hinterteil. »Das ist nicht immer eine wirksame Folter. Manche Frauen mögen das.«
Sie lief rot an, lachte aber. Wie der Abend nach dem Endspiel und der Pokerpartie weitergehen würde, stand somit fest. War ja nicht schwierig gewesen diesmal. Ein Segen, bei der Menge von Zigaretten und Wein, die ich mir zu Gemüte führte. Ich schaute in die Küche. Angelo, der wie ein Schwein schwitzte und schon ziemlich angetrunken war, legte letzte Hand an einen köstlichen Reissalat in den Nationalfarben.
Dann begann das Endspiel. Ich hockte mich zu Cristianas Füßen auf den Boden, trank, rauchte und betete zu Paolo Rossi.
Die erste Halbzeit endete null zu null. Aufgekratzt von der Anspannung und der Hitze, strömten die Italiener hinaus auf die Straßen, Balkone und Terrassen, um abzukühlen und wenigstens ein bisschen Erfrischung zu finden. Das Telefon klingelte. Paola nahm den Anruf entgegen.
»Mein Onkel möchte dich sprechen«, sagte sie erstaunt zu Angelo.
Ich sah, wie sich eine Falte in Angelos Stirn grub, als er dem Kardinal inmitten des Trubels zuhörte.
»Bin gleich da«, murmelte er schließlich und legte auf. Seine Zunge war schon etwas schwer vom Alkohol.
Ich sah seinen besorgten Blick.
»Immer noch Probleme mit diesen blöden Schlafplätzen, Angelo?«
Er sah mich wie betäubt an. »Sie können Elisa nicht finden.«
»Wer kann Elisa nicht finden?«
»Ihre Eltern. Sie machen sich große Sorgen. Eigentlich wollte sie zu Hause mit ihnen das Endspiel gucken, aber sie ist nicht erschienen. Jetzt haben sie den Kardinal nach ihr gefragt.«
Ich lachte auf. »Unsinn, sicher schaut sie sich das Spiel irgendwo mit ein paar Freunden an. Dass italienische Eltern sich immer gleich Sorgen machen müssen!«
Angelo schüttelte den Kopf. »Elisa hätte Bescheid gesagt, wenn sie ihre Pläne geändert hätte.«
Das brachte mich wirklich auf die Palme. »So ein Mist, ausgerechnet heute Abend! Na gut, ich komme mit. Wir nehmen den Cinquecento, beruhigen die alten Nervensägen und sind zur zweiten Halbzeit zurück.«
Ich war stocksauer. Andererseits würden wir nicht lange brauchen, weil auf den Straßen nichts los war. In diesem Zustand konnte ich Angelo unmöglich alleine fahren lassen.
Wir waren beide betrunken. Ich setzte mich hinters Steuer, und nach fünf Minuten waren wir in der Via della Camilluccia. Der Aston Martin parkte neben der Harley Davidson. Von der beleuchteten Terrasse von Villa A drangen die Geräusche eines Festes herüber. Der Conte hatte zum Endspiel Gäste eingeladen.
Der Kardinal und Elisas Eltern warteten neben dem großen Brunnen auf uns. Amedeo und Giovanna Sordi waren knapp über fünfzig, Elisa war ihre einzige Tochter. Der Vater war ein großer hagerer Mann mit längst ergrautem Haar. Von ihm hatte Elisa Körperhaltung und Statur. Die großen Augen dagegen hatte sie von ihrer Mutter geerbt, und genau diese Augen sahen uns jetzt bedrückt an.
»Wir haben große Angst, Dottor Dioguardi. Ausgerechnet heute Abend.« Es war die Mutter, die sprach, während der Vater etwas abseits stand. Mir fiel auf, dass sie Angelo Dottore nannte. Arme Leute haben immer zu viel Respekt vor denjenigen, die das Sagen haben. Nicht zuletzt deshalb bleiben sie arm.
Der Kardinal wandte sich an Angelo. »Haben Sie Elisa gesehen oder mit ihr gesprochen, nachdem wir uns heute Nachmittag getrennt haben?«
Angelo schwankte ein wenig, sein Gesicht glänzte rötlich. Immerhin schaffte er es, eine sinnvolle Antwort zu stammeln.
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