Du bist das Boese
Ich war aufgedreht, wegen der Weltmeisterschaft und wegen der Aussicht auf eine Nacht mit Cristiana. An Elisa dachte ich so gut wie gar nicht, und wenn, dann nur sehr vage.
Cardinale Alessandrini und Signora Giovanna warteten schon auf uns. Sie blickte mich hoffnungsvoll an, und wir gingen gleich zur Villa B. Elisas Fenster war nun geschlossen, aber die Blume stand immer noch da. Alessandrini wirkte angespannt, Angelo war bleich. Die Tür von Elisas Büro war mehrfach abgeschlossen, wie vorgeschrieben. Angelo öffnete sie mit zittriger Hand, aus Nervosität und wegen des Alkohols. Ich bat alle, draußen zu bleiben, doch der Kardinal war nicht einverstanden.
»Sie sind Privatperson, Eminenz. Und ich bin Polizeibeamter. Sie müssen draußen bleiben.«
Er ignorierte mich und wandte sich an meinen Freund. »Angelo, Sie warten mit Signora Giovanna hier.«
Er trat ein, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Ich ließ es geschehen. Ich wollte so schnell wie möglich wieder weg, Poker spielen und mich danach Cristiana widmen.
Wir machten Licht. Alles war in perfekter Ordnung. Einsortierte Aktenmappen, geschlossene Fenster, von Elisa Sordi keine Spur. Ich suchte in den Papieren auf ihrem Schreibtisch nach irgendeinem Hinweis auf eine Verabredung. Nichts. Auch Elisas Stechkarte war an ihrem Platz im Fach der Angestellten. Sie war an diesem Tag als Einzige im Büro gewesen. Um achtzehn Uhr dreißig war korrekt abgestempelt worden, dass sie gegangen war.
Als Angelo das Büro wieder zuschloss, nahm Alessandrini mich beiseite. »Sie und Angelo sind ziemlich alkoholisiert«, sagte er ohne lange Vorrede. »Am besten fahren Sie jetzt nach Hause. Ich werde gemeinsam mit Signora Giovanna die Polizei benachrichtigen.« Das war zweifellos eine ausgezeichnete Idee, und so äußerte ich nur schwachen Protest, den der Kardinal gar nicht zur Kenntnis nahm. Wir brachen auf. In der Tat stanken wir ziemlich nach Alkohol und Kippen, und ich hatte sogar gerülpst.
Als wir bei Paola ankamen, war mein Bruder schon fort. Niente Poker. Aber Cristiana tauchte bald mit Paola wieder auf. Ich entführte sie ins Gästezimmer und schloss die Tür.
Sie lehnte sich gegen den Türrahmen, mit geröteten Wangen. »Ich bin verlobt, Michele, mein Freund arbeitet in Mailand. Wir heiraten nächstes Jahr.«
Die Leier kannte ich nur zu gut. Michele Balistreri war der kleine Makel einer jeden Frau, die schmale Grenzlinie, die sie fürchteten und von der sie träumten, ohne sich allzu sehr in ihre Nähe zu wagen. Sie begriffen schnell, dass sie mit Michele Balistreri die Grenzen des Anstands überschritten, wussten aber auch, dass sie jederzeit zurückkehren konnten zu ihren braven Musterknaben, den Bilderbuchverlobten wie Angelo Dioguardi, diesen Gefährten für ein ganzes Leben. Das machte die Sache erst recht amüsant, denn es bereitete großes Vergnügen, ihre Prinzipien zu durchkreuzen und zuzusehen, wie sie, zusammen mit ihren Kleidern, den durch jahrelange Erziehung und Selbstkontrolle ausgebildeten Schutzpanzer ablegten. Mit ihrem Slip gaben sie mir jenen Teil von sich, den sie nur erahnten und schamvoll verbargen, jenen Teil, den kein Verlobter je gesehen hatte und kein Ehemann je zu sehen bekommen würde. Dass sie sich nicht in mich verliebten, dafür sorgte wohl ihr Selbsterhaltungstrieb. Aber sie verziehen mir nicht, wenn ich von der Bildfläche verschwand. Mit mir verschwand ihr geheimstes Gesicht, obwohl ich vielleicht der einzige Mann war, der sie nie betrogen hatte.
Ich zog den Stoffgürtel aus ihrer Jeans.
»Ich habe keine Handschellen dabei, deshalb werde ich dich damit fesseln.«
Sie öffnete meinen Ledergürtel. »Und wenn ich mich weigere, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, kannst du mir hiermit den Hintern versohlen.«
Die Nacht versprach interessant zu werden. Elisa Sordi hatte ich längst vergessen.
Montag, 12. Juli 1982
Die Nacht bei Paola zu verbringen, hatte auch einen logistischen Vorteil. Das Kommissariat von Vigna Clara war nur einen Katzensprung entfernt, ich konnte also länger schlafen. Was ich an diesem Morgen bitter nötig hatte. Den Wecker beachtete ich gar nicht, denn auf der Wache hatte ich bereits angekündigt, dass ich später kommen würde. Cristiana schlief an meiner Seite, und auch nebenan war kein Laut zu hören. Schließlich weckte mich gegen elf der Hunger.
Ich wusch mich erst gar nicht, zog leise Jeans und T-Shirt über und ging runter in die nächste Bar, wo eine Schar von Nichtstuern den großen
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