Du bist in meinen Traeumen
ihn mit oder ohne Schleife zu jeder Jahreszeit nehmen.”
Samantha hörte ihr nicht mehr zu, da ihre Aufmerksamkeit mittlerweile ausschließlich dem großen dunkelhaarigen Mann galt, der lässig im Türrahmen stand und den Blick langsam über die in kleinen Gruppen beieinander stehenden Menschen schweifen ließ. Als sich ihre Blicke trafen, verharrte er sekundenlang reglos, nickte dann fast unmerklich und begann sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
Zuerst hielt Samantha alles für ein großes Missverständnis.
Dies konnte unmöglich der Mann sein, an den sie vor vielen Jahren ihr Herz verloren hatte.
Zum einen gab es den Namen “Warner” nicht gerade selten, und außerdem war jener Matthew Warner, den sie gekannt hatte, ein junger Dozent an der Universität Oxford gewesen und gewöhnlich, wie die meisten seiner Akademikerkollegen, in ausgebeulten Jeans und einem abgewetzten Jackett
herumgelaufen. Zwischen ihm und diesem geradezu vornehm aussehenden Mann im teuren Maßanzug lagen Welten.
Andererseits kam ihr jedoch einiges an diesem eleganten Fremden beunruhigend vertraut vor.
Als er schließlich vor ihr stand, hatte sie das Gefühl, als weiche jeder Blutstropfen aus ihrem Gesicht. Mochte ihre Denkfähigkeit vorübergehend auch eingeschränkt sein, so galt das nicht für ihre sinnliche Wahrnehmung. Ihr Puls beschleunigte sich, und sie spürte plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend.
“Hallo, Sam. Lange nicht gesehen.”
Vor Schreck brachte Samantha keinen Ton heraus. Für einen Augenblick hatte sie sich von dem eleganten Äußeren täuschen lassen, doch als sie nun die dunkle, etwas raue Stimme hörte, bestand kein Zweifel mehr, dass es sich bei diesem Mann tatsächlich um Matt Warner handelte.
Er war der Letzte, den sie hier in New York zu sehen erwartet oder gar zu treffen gewünscht hatte. Wieso tauchte er ausgerechnet jetzt auf, da sie in wenigen Minuten ihren ersten Vortrag vor einem internationalen Publikum halten musste?
Während Candy die günstige Gelegenheit beim Schopf packte und sich vorstellte, stand Samantha noch immer wie vom Donner gerührt neben ihr. Falls sie je gehofft hatte, den Mann wieder zu sehen, der ihr vor Jahren so grausam das Herz gebrochen hatte, dann sicher nicht in einer solchen Situation.
Vielmehr hatte sie sich in ihren Rachefantasien genüsslich allerlei Horroszenarien ausgemalt, wie beispielsweise Matt als heruntergekommenen Bettler vor der Königlichen Oper in Covent Garden wieder zu treffen, der sich demütig für die Münze bedankte, die sie ihm huldvoll zuwarf, ehe sie - im modischen Schick der späten neunziger Jahre gekleidet - am Arm ihres gut aussehenden und eleganten Begleiters die Treppe zum Opernhaus hinaufging.
Im Moment schien eher alles umgekehrt zu verlaufen, denn falls hier jemand ärmlich wirkte, dann höchstens sie in ihrem konventionellen faden Nadelstreifenkostüm und nicht der in feinstes englisches Tuch gekleidete Matt Warner.
“Wie lange bleibst du in der Stadt?”
Blitzartig wurde Samantha bewusst, dass sie bis jetzt von der Unterhaltung so gut wie nichts mitbekommen hatte. “Ich …. nun
… ich bin nur einige Tage hier.”
Matt schien sich über ihre so offensichtliche Verwirrung zu amüsieren. Er fragte, in welchem Hotel sie wohne, und nickte beifällig, als sie das “Mark” in der siebenundsiebzigsten Straße nannte. “Dort bist du gut aufgehoben. Und wie gefällt es dir sonst so in New York?”
“Es ist eine … sehr aufregende und lebendige Stadt.”
Inzwischen hatte Samantha sich wieder etwas gefangen. “Tut mir leid, Matt, wenn ich etwas zerstreut wirke. Natürlich finde ich es großartig, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen, aber ich muss in wenigen Minuten vor diesen Leuten hier einen Vortrag halten und kann mich jetzt nur schwer auf dich konzentrieren. Um ehrlich zu sein, ich war noch nie in meinem Leben so nervös”, gestand sie, und obwohl ihre Stimme ruhig klang, klapperten Kaffeetasse und Teller in ihren zitternden Händen wie spanische Kastagnetten.
Matthew Warner erfasste die Situation mit einem Blick. Er verabschiedete sich von Candy mit einem charmanten Lächeln und steuerte dann mit Samantha die kleine Bar in einer Ecke des Saals an und bestellte ihr ein Glas Brandy.
“Willst du mich etwa betrunken aufs Podium schicken?”
fragte sie entrüstet.
“Sei still, und trink das hier!”, befahl er.
Sie tat, wie ihr geheißen, protestierte dann aber: “Für dich ist das alles einfach. Du
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