Du bist nie allein
Vermisstenmeldung.«
Jennifer nahm ihren Stift. »Jessica Franklin?«
Als Pete Jessicas Namen hörte, merkte er auf.
»Nein. Richard Franklin. Der Bursche, wegen dem Sie mich angerufen haben.«
Jennifer zögerte. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Richard Franklin war die vermisste Person«, sagte Detective Cohen langsam.
»Aber er ist hier!«
»Schon verstanden. Aber vor vier Jahren ist er plötzlich verschwunden. Eines Tages erschien er einfach nicht mehr zur Arbeit, und nach ungefähr einer Woche hat uns seine Sekretärin endlich verständigt. Ich habe mit dem Detective gesprochen, der damals die Untersuchung leitete. Er sagte, alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass der Bursche überstürzt das Weite gesucht hätte. Kleidung lag in seinem Schlafzimmer auf dem Bett verstreut, die Schubladen wirkten durchwühlt. Zwei Koffer fehlten – seine Sekretärin sagte, die hätte er immer auf Geschäftsreisen benutzt –, und sein Auto war auch weg. Am letzten Tag, an dem er gesehen wurde, zog er Geld aus einem Bankautomaten.«
»Er war also auf und davon?«
»Offenbar.«
»Warum?«
»Genau das konnte der Kollege nicht klären. Auch keiner von Franklins Bekannten, die er befragte, konnte sich einen Reim darauf machen. Alle stimmten überein, dass er nicht der Typ war, der alles liegen und stehen ließ und einfach abhaute. Niemand konnte es verstehen.«
»Und er war nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen?«
»Der Detective hat jedenfalls nichts finden können. Es waren keine Verfahren anhängig, und wie gesagt, auch bei uns lag nichts gegen ihn vor. Es ist, als hätte er damals spontan beschlossen, irgendwo ganz neu anzufangen.«
Genau dieser Gedanke war Jennifer auch bei Durchsicht seiner Finanzbelege durch den Kopf gegangen.
»Warum hat seine Familie ihn nicht vermisst gemeldet?«
»Tja, es gab so gut wie keine Familie. Sein Vater war verstorben, er hatte keine Geschwister, und seine Mutter befand sich wegen geistiger Umnachtung in einem Pflegeheim.«
»Könnten Sie mir die Unterlagen zu Ihren damaligen Ermittlungen schicken?«
»Selbstverständlich. Ich habe die Akte schon rausgesucht. Ich mache eine Kopie und lasse sie Ihnen morgen per FedEx zukommen.«
»Könnten Sie sie mir nicht zufaxen?«
»Die Akte ist ziemlich umfangreich«, sagte Cohen. »Wird mindestens eine Stunde dauern, die zu faxen.«
»Bitte«, drängte Jennifer. »Ich werde vermutlich ohnehin den ganzen Abend hier sein.«
»Also gut«, sagte er. »Geben Sie mir noch einmal Ihre Faxnummer.«
Jenseits des Küchenfensters in Henrys Strandhaus glühte der Ozean orange, als wäre unter der Oberfläche ein Feuer entzündet worden. Das Tageslicht schwand, und in der Küche wurde es langsam dunkler. Die Neonlampe an der Decke summte leise.
Mike trat neben Julie, die gerade Singer am Strand beobachtete. Er lag im Sand, hatte die Ohren aufgestellt und wandte gelegentlich den Kopf hin und her.
»Hast du Lust, etwas zu essen?«, fragte er.
»Danke, ich habe keinen Hunger.«
Mike seufzte.
»Da draußen ist niemand«, sagte er dann. »Sonst hätte sich Singer schon gemeldet.«
Julie nickte und lehnte sich an ihn.
Morrison kam aus seinem Büro und ging auf Jennifer und Pete zu.
»Es ist tatsächlich Andrea Radleys Blut. Hab gerade mit dem Labor telefoniert, die haben es bestätigt. Kein Zweifel.«
Jennifer hörte ihn kaum. Sie starrte gerade auf die erste Seite des Faxes aus Denver.
»Und Johnson hat einen Zeugen gefunden«, fuhr Morrison fort. »Einer der Barkeeper im Mosquito Grove konnte sich an Andrea erinnern. Hat eine genaue Beschreibung von Richard Franklin abgegeben. Meinte, der Typ sei ein echter Spinner.«
Jennifer war immer noch in die erste Faxseite vertieft.
»Er ist nicht Richard Franklin«, sagte sie leise.
Morrison und Pete sahen sie an.
»Was reden Sie da?«, fragte Morrison.
»Der Verdächtige…«, fuhr sie zögernd fort. »Sein Name ist nicht Richard Franklin. Der echte Richard Franklin gilt seit vier Jahren als vermisst. Hier.«
Sie reichte das Blatt Papier weiter. Zu sehen war ein Foto des Vermissten, und so mangelhaft die Bildqualität infolge der Faxübertragung auch war, das schüttere Haar und die groben Gesichtszüge des Abgebildeten belegten eindeutig, dass dies nicht der Mann war, den sie suchten. »Das ist gerade aus Denver gekommen. Das ist der echte Richard Franklin.«
Morrison und Pete betrachteten das Bild.
Pete zwinkerte verwirrt. »Das ist Richard Franklin?«, fragte er.
»Ja.«
»Soll das
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