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Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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vergessen würde. Doch mittlerweile war aus dem anfänglichen Arbeitsverhältnis längst echte Freundschaft geworden.
    Dass Mabel ein wenig – gelinde gesagt – exzentrisch war, störte Julie nicht. Im Laufe der Zeit hatte Julie festgestellt, dass fast jeder in dieser Stadt seine kleinen Eigenarten hatte. Mabel aber wies ganz besondere kleine Schrullen auf. Obwohl sie drei Anträge bekommen hatte, hatte sie nie geheiratet, und schon dies schloss sie von den diversen Clubs und Gruppen der Leute ihres Alters aus. Doch selbst wenn man ihre übrigen Eigenarten außer Acht ließ – dass sie stets auf einem Moped zum Salon tuckerte, gepunktete Kleidung bevorzugte und ihre Sammlung von Elvis-Andenken für »Kunst« hielt –, galt Mabel wegen einer Episode, die über ein Vierteljahrhundert zurücklag, als geradezu sonderbar. Nachdem sie ihr bisheriges Leben in Swansboro verbracht hatte, machte sie sich mit sechsunddreißig Jahren plötzlich aus dem Staub, ohne auch nur eine Menschenseele einzuweihen, wohin sie wollte oder dass sie überhaupt fortging. Während der nächsten acht Jahre schickte sie ihrer Familie Ansichtskarten aus allen Ecken der Welt: vom Ayers Rock in Australien, vom Kilimandscharo in Afrika, von den norwegischen Fjorden, vom Hafen in Hongkong, vom Wawel in Polen. Als sie schließlich wieder in Swansboro auftauchte ebenso unverhofft, wie sie einst verschwunden war –, setzte sie ihr Leben genau da fort, wo sie es unterbrochen hatte, zog wieder in dasselbe Haus und arbeitete weiter im Salon. Niemand wusste, warum sie das tat, geschweige denn, woher das Geld für ihre Reise oder für den Salon stammte, den sie ein Jahr später übernahm, und sie gab auch nie Auskunft, wenn sie danach gefragt wurde. »Das ist ein Geheimnis«, pflegte sie augenzwinkernd zu sagen, wenn die Leute sie danach fragten, und gab dem Getuschel damit immer wieder neue Nahrung. Inzwischen wurde nicht nur geargwöhnt, Mabel hätte eine etwas anrüchige Vergangenheit, sondern überdies auch nicht alle Tassen im Schrank.
    Mabel gab nichts auf die Meinung anderer Leute, und genau das machte für Julie ihren Charme aus. Mabel kleidete sich, wie sie wollte, verbrachte ihre Zeit, mit wem sie wollte, und tat, was sie wollte. Gelegentlich fragte sich Julie, ob Mabels Schrullen echt waren oder sie nur so tat, um den Leuten Rätsel aufzugeben. Wie auch immer, Julie liebte alles an ihr. Sogar ihre ausgeprägte Neugier.
    »Wie war es denn mit Richard?«, fragte Mabel.
    »Tja, ehrlich gesagt, war ich die
ganze
Zeit ein wenig in Sorge um dich«, sagte Julie. »Ich dachte schon, wenn du deinen Hals noch weiter verdrehst, um zu lauschen, renkst du dir einen Nackenmuskel aus.«
    »Oh, keine Sorge«, sagte Mabel. »Ein wenig Tylenol, und am nächsten Tag war ich so gut wie neu. Aber wechsle nicht das Thema. Ist es gut gelaufen?«
    »Sehr gut sogar, dafür, dass ich ihn gerade erst kennen gelernt habe.«
    »Von meinem Platz aus hat es fast so ausgesehen, als würde er dich irgendwoher kennen.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Keine Ahnung. Wegen seinem Gesichtsausdruck, schätze ich, oder vielleicht auch, weil er dich den ganzen Abend so angestarrt hat. Dachte schon, seine Augen sind mit unsichtbaren Fäden an dir befestigt.«
    »War es so offensichtlich?«
    »Süße, er sah aus wie ein Seemann auf Landgang, der einen Stripclub besucht.«
    Julie streifte sich lachend ihren Kittel über. »Dann habe ich ihn wohl bezaubert.«
    »Vermutlich.«
    Bei Mabels Tonfall hob Julie den Blick. »Hey? Hat er dir nicht gefallen?«
    »Das will ich nicht sagen. Schließlich kenne ich ihn ja gar nicht. Als er in den Salon kam, war ich nicht da, und Samstag hast du uns auch nicht miteinander bekannt gemacht. Musstest ja die ganze Zeit zurückstarren.«
    Mabel zwinkerte. »Und außerdem bin ich im Herzen eine alte Romantikerin. Solange ein Mann zuhört und Interesse an dem zeigt, was man sagt, ist sein Aussehen nicht so wichtig.«
    »Findest du nicht, dass er gut aussieht?«
    »Ach, du kennst mich doch – die Typen, die hier wegen Andrea aufkreuzen, sind mehr mein Fall. Arme voller Tätowierungen finde ich sexy.«
    Julie lachte. »Lass das bloß nicht Andrea hören!«
    »Nein, nein. Solange ich es ihr nicht aufmale, kapiert die doch gar nicht, von wem hier die Rede ist.«
    In dem Moment schwang die Tür auf, und eine Frau kam herein. Julies erster Termin für diesen Tag. Mabels Kundin kam gleich hinterher.
    »Und… triffst du dich noch mal mit ihm?«, fragte

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