Du bist nie allein
Mabel.
»Keine Ahnung, ob er mich fragt, aber ich wäre nicht abgeneigt.«
»Möchtest du, dass er dich fragt?«
»Ja«, gestand Julie. »Ich glaube schon.«
Mabels Augen funkelten. »Tja… was wird dein süßer Bob dazu sagen? Das wird ihm das Herz brechen.«
»Falls er noch mal anruft, werd ich ihm vielleicht einfach sagen, dass du Interesse hast.«
»O ja, bitte – ich könnte Hilfe bei meiner Steuererklärung gebrauchen. Schade nur, dass ich ihm vermutlich etwas zu abenteuerlustig bin.«
Sie schwieg kurz. »Wie hat Mike es denn aufgenommen?«
Von ihrem Platz am Fenster aus hatte Mabel die beiden bei ihrem Gespräch gesehen.
Julie zuckte die Achseln. Mit dieser Frage hatte sie gerechnet. »Ziemlich gelassen.«
»Er ist ein guter Junge.«
»Ja, stimmt.«
Mabel vertiefte die Sache nicht weiter, sie wusste, dass es nutzlos war. Sie hatte es schon mehrfach versucht, allerdings ohne Erfolg. Dabei fand sie es insgeheim jammerschade, dass sich zwischen den beiden noch nichts getan hatte. Mike und Julie hätten ihrer Ansicht nach ein gutes Paar abgegeben.
Und Jim, da war sie sich sicher, hätte garantiert nichts dagegen gehabt.
Sie musste es wissen. Schließlich war sie seine Tante.
Mikes Schraubenschlüssel verklemmte sich an einem Bolzen in den Tiefen des Motors. Bei dem Versuch, ihn freizubekommen, zerrte Mike etwas zu ungestüm und schrammte sich den Handrücken auf. Nachdem er die Wunde desinfiziert und verbunden hatte, versuchte er ein weiteres Mal, den Schraubenschlüssel freizubekommen, wieder ohne Erfolg. Den ganzen Morgen über war Mike ein dummer Fehler nach dem anderen unterlaufen, bei einer Reparatur, die für ihn eigentlich Routine war, und jetzt bekam er nicht mal mehr den blöden Schraubenschlüssel frei. Aber das war natürlich nicht allein seine Schuld. Wenn überhaupt, fand Mike, war es Julies Schuld. Wie sollte er sich auf die Arbeit konzentrieren, wenn ihm ständig ihr Treffen mit Richard durch den Kopf spukte?
Ihr
nettes
Treffen. Ihr
spaßiges
Treffen.
Was war so
nett
daran gewesen?, fragte er sich grübelnd.
Und was hatte sie mit
Spaß
gemeint?
Es gab nur einen Weg, es zu erfahren, das war ihm klar, obwohl ihm schon bei dem Gedanken grauste. Aber was blieb ihm anderes übrig? Er konnte ja schlecht zum Salon rübergehen und Mabel persönlich fragen, während Julie gleich daneben stand. Blieb also nur Henry.
Henry, der gute, liebe, große Bruder.
Na klar, dachte Mike.
Henry hätte es ihm ja einfach erzählen können, aber
nein,
er musste ihn zappeln lassen. Mike sollte um Informationen betteln. Sollte angekrochen kommen, damit Henry erbarmungslos sticheln konnte.
Nun, diesmal nicht, Kumpel, entschied Mike. Diesmal nicht.
Er trat wieder auf das Auto zu und arbeitete sich mit der Hand zum Schlüssel vor. Immer noch verklemmt. Er warf einen Blick über die Schulter und überlegte, ob ein Schraubenzieher eventuell die nötige Hebelwirkung liefern konnte, um den Schlüssel freizubekommen. Mike ließ es auf einen Versuch ankommen und stocherte mit dem Werkzeug im Motorraum herum, doch als er es gerade an der richtigen Stelle hatte, hörte er wieder Julies Stimme, und der Schraubenzieher glitt ihm aus der Hand.
Nett war es,
hatte Julie gesagt.
Wir hatten Spaß.
Als Mike nach dem Schraubenzieher angelte, rutschte dieser klappernd abwärts wie eine Flipperkugel und verschwand schließlich außer Sichtweite. Mike beugte sich vor, und obwohl er sich mit diesem speziellen Motor genau auskannte, hatte er keinen blassen Schimmer, wo das Werkzeug abgeblieben war.
Mike blinzelte ungläubig.
Toll, dachte er, einfach toll. Der Schraubenschlüssel klemmt fest, der Schraubenzieher ist in einem schwarzen Loch im Motor verschwunden, und ich krieg hier nix auf die Reihe. Ich arbeite jetzt seit einer Stunde an dem Ding, und wenn das so weitergeht, werde ich bei Blaine Sutter, dem Vertreter für Snapon-Werkzeug, eine große Bestellung aufgeben müssen.
Er musste mit Henry reden. Eine andere Lösung gab es nicht.
Mist.
Mike schnappte sich einen Lappen und wischte sich auf dem Weg durch die Werkstatt die Hände daran ab, voller Zorn, dass es so weit gekommen war. Gleichzeitig überlegte er, wie er am besten vorgehen sollte. Die Herausforderung bestand darin, Henry über den Grund für sein Interesse im Unklaren zu lassen. Sein Bruder lebte für solche Momente. Wahrscheinlich hatte er sich schon den ganzen Morgen fiese Sticheleien überlegt. Mike ging seinen Plan noch einmal kurz durch und
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