Du bist nie allein
Richtung. »Ich kenn das. Der Typ da drüben kann manchmal auch ganz schön nerven. Aber wie ich höre, muss er Viagra nehmen, also kann ich ihm wohl keinen Vorwurf machen. MUSS hart sein, zu wissen, dass man nur ein halber Mann ist.«
Jake lachte. Das gefiel ihm.
Mike lächelte ebenfalls. Damit hatte er sich ein wenig gerächt. »Und, wie viele Leute seid ihr mittlerweile da draußen?«
»Weiß ich nicht genau. Ein paar hundert vielleicht. Wieso? Suchen Sie Arbeit?«
»Nein – ich bin Mechaniker. Ich hab bloß einen der Ingenieure kennen gelernt, der mit den Arbeiten an der Brücke zu tun hat.«
»Wen denn?«
»Richard Franklin. Kennen Sie ihn?«
Jake sah Mike in die Augen und nahm den Zahnstocher aus dem Mund. »Ja, den kenn ich«, sagte er.
»Netter Kerl?«
»Was glauben Sie?«, fragte Jake.
Bei seinem wachsamen Tonfall zögerte Mike. »Ich könnte daraus schließen, die Antwort ist Nein.«
Jake schien über seine Worte nachzusinnen.
»Und, warum interessiert Sie das?«, fragte er endlich.
»Sind Sie mit dem befreundet?«
»Nein – ich bin ihm nur einmal begegnet.«
»Lassen Sie es dabei. Den wollen Sie gar nicht genauer kennen.«
»Wieso?«
Nach einer ganzen Weile schüttelte Jake den Kopf, und obwohl Mike gern mehr erfahren hätte, ließ er sich nicht weiter darüber aus. Stattdessen lenkte er das Gespräch wieder auf den LKW und rollte wenige Minuten später aus der Werkstatt. Mikes Fragen blieben unbeantwortet, aber Jakes Schweigen schien ihm ziemlich vielsagend.
Seine Grübeleien wurden jedoch unterbrochen, als Singer hereingetrottet kam.
»Hey, Großer!«, rief Mike.
Singer sprang hoch, balancierte auf den Hinterbeinen und drückte Mike die Vorderpfoten gegen die Brust, als wolle er ein Tänzchen mit ihm aufführen. Dazu ließ er ein kehliges, aufgeregtes Japsen vernehmen.
»Was machst du denn hier?«, fragte Mike.
Singer ließ sich wieder auf alle viere hinab, drehte sich um und lief zu Mikes Spind.
»Ich hab nichts zu essen«, sagte Mike, der ihm gefolgt war. »Aber Henry hat was im Büro. Komm, wir gehen ihn ausplündern.«
Singer lief voraus. Mike zog die unterste Schublade von Henrys Schreibtisch auf, holte seine Süßigkeiten heraus die Mini-Doughnuts mit Puderzucker und die Schokokekse und ließ sich in Henrys Sessel plumpsen. Einzeln warf er Singer die Leckereien zu, der sie geschickt aus der Luft schnappte und verschlang wie ein Frosch die Fliegen. So ungesund das Zeug für ihn auch sein mochte, er wedelte die ganze Zeit begeistert mit dem Schwanz. Henry würde echt sauer sein, wenn er merkte, dass sein Vorrat verschwunden war, dachte Mike und grinste. Es war ein bisschen, als würde man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Als ihre letzte Kundin hinausgegangen war, schaute sich Julie im Salon um. »Hast du Singer gesehen?«, fragte sie Mabel.
»Ich hab ihn vorhin rausgelassen«, sagte Mabel. »Er tänzelte so nervös an der Tür herum.«
»Wie lange ist das her?«
»Eine Stunde ungefähr.«
Julie sah auf ihre Uhr. So lange blieb Singer sonst nie weg.
»Ich glaube, ich hab ihn zu Mike rübergehen sehen«, sagte Mabel.
Singer lag zusammengerollt auf einer alten Decke und hielt nach der Zuckerorgie schnarchend ein Nickerchen, während Mike die Triebwelle an einem Pontiac Sunbird einstellte.
»Hallo, Mike!«, rief Julie von draußen. »Bist du noch da?«
Beim Klang ihrer Stimme schaute Mike hoch. »Hier hinten!«, rief er. Singer hob den Kopf und blinzelte schlaftrunken.
»Hast du Singer gesehen?«
»Ja, er ist hier.«
Julie betrat die Werkstatt. Mike ergriff einen Lappen, und während er sich die Hände abwischte, erhob sich Singer und ging auf Julie zu.
»Da bist du ja«, sagte sie und kraulte ihm den Rücken. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
Mike lächelte und dankte Singer im Stillen, dass er nicht zum Salon zurückgegangen war.
Julie schaute hoch. »Alles in Ordnung bei dir?«
»Aber ja. Und wie geht’s dir?«
»Gut.«
»Bloß gut?«
»War ein stressiger Tag«, sagte sie. »Du kennst das ja.«
»Ja, natürlich«, sagte er und nickte. »Vor allem heute. Erst war Benny da, und dann hätte ich Henry fast umgebracht.«
»Wie bitte – warum denn diesmal?«
»Ich hab’s mir in letzter Minute anders überlegt.«
»Hat er dich so getriezt?«
»Wann triezt der mich denn mal nicht?«
»Du Ärmster«, sagte Julie. »Erinner mich daran, heute Abend für dich eine Träne zu vergießen.«
»Ich wusste, dass auf dich Verlass ist«, sagte er.
Julie
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