Du + Ich = Wir Zwei, 1
nicht lange auf sich warten. Alle Augen sind auf den jungen 30-Jährigen gerichtet. Er ist nunmehr an der Spitze eines Imperiums in der Filmbranche. Wie hat er es dorthin geschafft? Ich weiß es nicht, aber ich hätte es mir denken können. Vadim ist nicht nur mit einem umwerfenden Aussehen gesegnet worden, er ist zugleich brillant, engagiert und hat ein Charisma, das die Größten dieser Welt vor Neid erblassen lässt.
Aber warum hat er seinen Namen geändert?!
Diese Frage habe ich mir während dieser Besprechung zigmal gestellt. King Productions, eine expansive Produktions- und Filmverleihgesellschaft, hat sich vor Kurzem dazu entschlossen, ein Tochterunternehmen in Frankreich anzukurbeln. Zug um Zug haben der Direktor und seine rechte Hand die kurz-, mittel- und langfristigen Strategien, Ziele und Aktionspläne bekannt gegeben. Über eine Stunde lang habe ich mir Mühe gegeben, professionell zu bleiben, mir Dinge zu notieren, mich einzuschalten, wenn es mir passend erschien. Genauer gesagt: Als Vadim mir den Rücken zuwandte. Ich habe ihn nie direkt angesprochen. Von seinem neuen Gesicht war ich zu sehr und von seiner gespielten Gleichgültigkeit zu wenig beeindruckt. Er hat sich nicht ablenken lassen und sich bei all seinen Angestellten mit einem perfekten Französisch präsentiert, das mit einem leichten Akzent verschönert wurde und ihn dabei auch noch charmant wirken ließ. Kein Blick, kein Lächeln, kein Zeichen, das darauf deuten lässt, dass wir uns nicht fremd sind. Ein Schlag ins Gesicht oder eine heftige Ohrfeige. Ich war weit, sehr weit von meinem Märchen entfernt! Anscheinend hat Vadim King – so heißt er ja nun – nur mit mir, Alma Lancaster, der einst großen Jugendliebe und nunmehr neuen unsichtbaren Angestellten, gespielt. Von meiner Seite aus hätte ein Augenblick genügt, damit mein Herz wieder Feuer und Flamme ist. Für ihn.
Die qualvolle Besprechung geht langsam zu Ende. Ich stehe mühsam auf und pralle beinahe mit voller Wucht gegen Sophie Adam. Die schick aussehende Produktionsleiterin, die sich als Freundin entpuppte, lächelt, als sie meinen bitter enttäuschten Gesichtsausdruck sieht.
„Das wird schon, Alma. Sag mal, wusstest du, dass er Ähnlichkeit mit diesem Herrn Roi hat?“
„Herr wer?“, frage ich, während ich Vadims Blick suche.
Ich muss ihn noch erwischen, bevor er verschwindet!
„King, der Big Boss! Du behältst das für dich, aber ehrlich, wenn er eine Geliebte sucht, bin ich sofort dabei!“
„Sophie, du bist seit fast drei Monaten verheiratet …“
„Ja, das stimmt. Das hatte ich fast vergessen! Ich muss los, ich muss mit Clarence sprechen!“, sagt die hübsche Blondine und macht auf ihren zehn Zentimeter Absätzen kehrt.
Ich mache mich auf den Weg Richtung Ausgang, aber dieses Mal werde ich von einem jungen Unbekannten aufgehalten. Der spindeldürre Braunhaarige reicht mir mit einem offenen und warmherzigen Lächeln auf dem Gesicht die Hand.
„Maximilian Finn. Alma Lancaster, die stellvertretende Direktorin, richtig?“, fragt er mich und versucht, seinen starken amerikanischen Akzent dabei zu verstecken.
„Ja, freut mich. Und Sie sind?“
„Der persönliche Assistent von Mr. King. Mir ist es wichtig, hier jeden kennenzulernen. Die Besprechung war ein Erfolg, finden Sie nicht auch? Alle Mitarbeiter scheinen bereits jetzt sehr viel in das Unternehmen investieren zu wollen. King France stehen rosige Zeiten bevor!“
„Ja, darin besteht gar kein Zweifel. Wissen Sie, wo Mr. King ist? Ich wollte ihn begrüßen …,“ sage ich, während ich merke, wie ich rot werde.
„Oh, Mr. King bleibt nie so lange. Er müsste bereits gegangen sein. Möchten Sie, dass ich ihm etwas ausrichte?“
„Nein, vielen Dank. Ich werde einfach unser nächstes Treffen abwarten.“
Ich versuche, meine Enttäuschung zu verbergen und lasse den Assistenten stehen, indem ich vorgebe, einen wichtigen Anruf tätigen zu müssen. Als ich mich im Flur befinde, stürze ich mich auf den Aufzug, bete, dass er bald kommt, fahre hinunter in das Erdgeschoss, rase an der Rezeption vorbei, schnappe mir eine der Drehtüren am Eingang des Gebäudes und stehe dann völlig außer Atem auf der Champs-Élysées. Zehn Meter vor mir treffe ich auf Joseph Wilson, der gerade dabei ist, sich von Vadim zu verabschieden. Dieser steigt nämlich in eine schwarze Limousine deutschen Herstellers. Das Auto fährt los. Darin sitzt auch Mr. Fuyard. Er sah mich, erkannte mich, aber wollte nicht mit mir reden.
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