Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
wir nicht einfach nur oberflächliches Zeug reden, so nach dem Motto: ›Hallo, wie geht’s dir? Ich hab gestern einen guten Film gesehen‹ oder irgend so einen Quatsch. Es geht um die Lösung eines Problems. Jedes Wort ist wichtig.« Als die Frau das Band abspielte, hörte sie ihren Ehemann und seinen Freund bei dem Versuch, ein Computerproblem zu lösen. Alles, was sie sagten, war unpersönlich und technisch. Sie hielt das nicht nur für kein »gutes Gespräch«, sondern überhaupt nicht für ein Gespräch. Ihr Mann war der Ansicht, dass eine gute Unterhaltung einen unpersönlichen, faktischen und zielgerichteten Inhalt haben sollte. Ihrer Ansicht nach sollte es bei einem guten Gespräch um etwas Persönliches gehen.
Diese Unterschiede zeigen sich auch im Verhältnis von Kindern und Eltern. Meine Studenten erzählen mir, dass sie bei Telefonaten mit »ihren Eltern« die meiste Zeit mit ihrer Mutter reden. Die Väter schalten sich im Allgemeinen nur in die Unterhaltung ein, wenn sie etwas Geschäftliches zu berichten oder zu diskutieren haben. Das gilt sowohl für schriftliche als auch für mündliche Äußerungen und ist offenbar nicht auf amerikanische Familien beschränkt. Eine deutsche Studentin zeigte mir eine Ansichtskarte, die mit der handschriftlichen »Plauderei« ihrer Mutter bedeckt war, mit Fragen nach den Erlebnissen und dem Wohlergehen ihrer Tochter und mit Neuigkeiten aus dem Familienleben. Zusammengefaltet in der Karte lag eine kurze getippte Notiz ihres Vaters, mit der er sie aufforderte, zur Universitätsverwaltung zu gehen und ein Formular zu besorgen, das er für die Steuer brauchte.
Ein Journalist, der einen Artikel von mir gelesen hatte, meinte, dass meine Behauptung, Männer hätten wenig Sinn für Smalltalk, weil sie der Auffassung seien, dass Gespräche dem Informationsaustausch dienen sollten, ihn nachdenklich gestimmt habe. Er missbilligt Tratsch und Klatsch und ist der Meinung, dass Gespräche sinnvoll und interessant sein sollten. Das funktioniert auch gut, solange es sich um ein Geschäftstreffen handelt, bei dem es genügend substanzielle Themen zu besprechen gibt. Aber wenn die Zusammenkunft sich auflöst und er sich mit einem Fremden auf den langen Weg hinunter zur Halle machen muss, ist sein Mund wie zugeschnürt. Da er prinzipiell gegen Smalltalk ist und einfach keine Übung darin hat, fühlt er sich hilflos, wenn der »Big Talk« vorüber ist.
Für die meisten Frauen bedeutet Freundschaft vor allem, dass man sich trifft und über Gefühle und Erfahrungen redet. Jemanden zu haben, dem man seine Geheimnisse anvertrauen kann, heißt, dass man nicht allein in der Welt steht. Aber Geheimnisse zu erzählen ist nicht ungefährlich. Eine Freundin, die deine Geheimnisse kennt, hat Macht über dich: Sie kann die Geheimnisse ausplaudern und dich damit in unangenehme Situationen bringen. Das ist die Quelle des negativen Images, das dem Klatsch anhaftet.
Wenn Klatsch zum Gerücht wird
Die negativste Seite von Klatsch zeigt sich in Situationen, wo zerstörerische Gerüchte, die jeder faktischen Grundlage entbehren, verbreitet werden. Ein extremes Beispiel für so eine Situation wird in Edna O’Briens Geschichte »The Widow« beschrieben. In dieser Geschichte findet eine Frau namens Biddy, deren Mann ertrunken ist, ihr Glück schließlich in einer neuen Beziehung. Die Einwohner der Stadt beobachten jeden ihrer Schritte, kritisieren ihre neue Verliebtheit und prophezeien ein schlimmes Ende, aber Biddy glaubt, dass sie diejenige ist, die sozusagen zuletzt lacht, als sie sich verlobt. Eine Woche vor der Hochzeit besucht das glückliche Paar den örtlichen Pub und hält alle Gäste frei. Ref 40
Dann stieß Biddy, die ein bisschen beschwipst war, mit ihrem Verlobungsring gegen ihr Glas und sagte, sie würde einen kleinen Vortrag halten. Ohne viel Aufhebens zu machen erhob sie sich, lächelte das ihr eigene koboldhafte Lächeln, fuhr mit der Zunge über die Lippen, eine andere Angewohnheit von ihr, und rezitierte ein Gedicht mit dem Titel: »Die Leute reden immer«. Es war ein Hieb gegen all jene boshaften, lüsternen Leute, die ihr ihr kleines Glück missgönnten. Vielleicht war es diese dreiste Provokation – tatsächlich waren viele Leute dieser Meinung –, die für die schlimmen Ereignisse der nächsten Wochen verantwortlich war. Hätte sie sich einigen Frauen am Orte anvertraut, wäre sie vielleicht gerettet worden, aber sie vertraute sich niemandem an; sie blieb für sich mit ihrem
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