Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Mann, mit strahlenden Augen, sicher in ihrem Glück.
Doch Biddys Glück ist alles andere als sicher, es ist im Gegenteil zum Scheitern verurteilt. Biddy fällt dem bösartigen und unbegründeten Klatsch zum Opfer. Man verbreitet das Gerücht, dass ihr erster Mann freiwillig in den Tod gegangen sei, weil sie ihm das Leben zur Hölle gemacht habe. Biddy versucht verzweifelt, diese Gerüchte nicht bis zu ihrem Verlobten dringen zu lassen, und bei einem dieser Versuche findet sie den Tod. O’Brien impliziert, dass die Einwohner mit der Verbreitung des bösartigen Gerüchts Biddy auf ihre Weise dafür bestraften, dass sie den bösen Zungen eine lange Nase machte und sich aus der Gemeinschaft ausschloss, weil sie sich niemandem anvertraute – mit anderen Worten. Sie vernichteten sie durch den Klatsch, weil Biddy ihm nicht den angemessenen Respekt gezollt hatte.
In vielerlei Hinsicht orientiert unsere Gesellschaft sich heute mehr am Privaten als am Öffentlichen, und auch in öffentlichen Bereichen gibt es so etwas wie Klatsch. Der größte Teil öffentlicher Kommunikation, wie zum Beispiel Fernsehnachrichten und Pressekonferenzen, nimmt zunehmend einen informellen Stil an, setzt sich aus Wortbeiträgen zusammen, die nicht mehr vorbereitet, sondern frei formuliert wirken (oder wirken sollen). Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass die Leute sich häufig öffentlich entschuldigen oder sogar zurücktreten müssen, weil sie aus dem Stegreif gesprochen und die Art von Kommentaren abgegeben haben, die typisch für private Unterhaltungen, in der Öffentlichkeit jedoch inakzeptabel sind. Ein anderer Aspekt dieser Entwicklung ist das wachsende Interesse am Privatleben öffentlicher Personen. Es ist vielleicht nicht überraschend, dass Gerüchte und ihre Bedeutung für das öffentliche Leben einen Aspekt dieses Interesses, vielleicht eine Art Nebenprodukt, bilden.
Ein Artikel in der Washington Post mit der Überschrift »Das Gerücht als Öffentlichkeitspolitik« stellt fest, dass die Politik zwar schon immer ein »Hauptumschlagplatz« von Gerüchten gewesen sei, neu sei jedoch, dass die Medien die Gerüchte bereitwillig verbreiteten, gleichgültig, ob der Journalist den Wahrheitsgehalt bestätigen könnte oder nicht. Bei dem Ereignis, das diesen Artikel auslöste, ging es um den Rücktritt des Pressechefs der Republikanischen Partei; er hatte ein Memo unterzeichnet und verteilt, in dem angedeutet – nicht behauptet – wurde, dass der neugewählte – demokratische – Parlamentspräsident homosexuell sei. Der Reporter der Post kommentiert, dass Gerüchte effektiv sind, selbst wenn sie sich später als falsch erweisen und dementiert werden; ihre bloße Existenz ist ausreichend, um Schaden anzurichten, weil die meisten Leute davon ausgehen: »Wo Rauch ist, ist auch Feuer.« Die amerikanische Öffentlichkeit ist der irischen Gemeinschaft in Edna O’Briens Geschichte ein bisschen ähnlicher geworden. Ref 41
Anwendungsbereiche für Klatsch
Das sind dramatische Beispiele des destruktiven Potentials von Klatsch. Nora Ephron beschreibt in ihrem Roman Quetschkartoffeln gegen Trübsinn die etwas überschaubareren Gefahren, die damit verbunden sein können, wenn man Freundinnen Geheimnisse anvertraut. Die Heldin, Rachel, befindet sich auf einem Flug von New York nach Washington und läuft dabei ihrer Freundin Meg Roberts in die Arme. Meg erwähnt die Geburtstagsfeier ihrer gemeinsamen Freundin Betty, und Rachel stellt entsetzt fest, dass sie die Party total vergessen hat. Sie hat eine unantastbare Entschuldigung: Sie hat ihren Mann verlassen und ist nach New York geflohen, nachdem sie erfahren hatte, dass er eine leidenschaftliche Affäre mit einer anderen Frau hatte. Jetzt allerdings ist sie mit ihrem Mann auf dem Weg nach Hause, um ihre Ehe wiederaufzunehmen. Sie möchte ihre exzellente Entschuldigung nicht anbringen, weil sie einen zu guten Anlass zum Klatsch geben würde:
Betty würde mir nur verzeihen, wenn ich ihr den wahren Grund dafür verriet, und wenn ich ihn verriet, würde sie es allen Leuten in Washington erzählen, und dann wüssten alle in der Stadt etwas über unsere Ehe, das sie nicht wissen sollten. Ich wusste zum Beispiel alles über Meg Roberts Ehe, weil Meg sich ihrer Freundin Ann anvertraut, die sich Betty anvertraut, die sich mir anvertraut. Ref 42
Wahre Freunde, so sollte man denken, plaudern keine Geheimnisse aus. Ein Geheimnis zu verraten kann das Ende einer Freundschaft bedeuten. Und doch geben
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