„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
mal abgesehen. Neue Erkenntnis: Du kommst als Fremder und gehst als Freund. War doch besser so.
Ich saß mit Kurt an der Tür, wir unterhielten uns über irgendwas, weil an jenem Dienstag im Winter nicht viel los war. Es war eiskalt, darum trank ich heißen schwarzen Tee, der wie Fusel schmeckte, nur noch schlimmer. Dann gesellte sich Gianni zu uns, es war schon nach zwölf und noch stand keiner an seiner Kaffeebar. Normalerweise trafen sich zumindest ein paar vereinzelte Kellner oder Barkeeper, die in ihrer Pinte Schluss hatten, auf einen Absacker-Espresso bei Gianni. Das war so eine Gastrosache und man hörte immer den neuesten Gossip aus der Branche.
Am Wochenende hatte es so eine Geschichte gegeben: Ein verrückter Bruder saß im Yoga-Lotussitz oben im Wipfel der Edeltanne, die unten vom Englischen Garten bis weit über die Terrasse des P1 ragte. Erst dachten alle, es wäre ein großer Baumbär – was zur Hölle aber ist ein Baumbär? –, weil der Tannenmann eine dunkelbraune Strickjacke anhatte. Dann machte er komische Geräusche. Gurrr, gurrr. Uns war sofort klar: Das ist eine Performance und was für eine! Wahrscheinlich ein Liveact eines hochgejubelten Aktionskünstlers oder so. Letztendlich stellte sich heraus, dass es der gramgebeugte Kneipenwirt Tscharly von gegenüber war, der seinen Nihilismus damit auslebte, eine depressive Taube in der Tanne vor dem P1 darzustellen. Den Drang zum Fliegen unterdrückte er zum Glück. Nach sechs Stunden stieg er unverletzt von seiner Tanne und genehmigte sich an Theos Bar gleich mal ein paar Wodkas on the Rocks. Ein echter P-1-Stammgast eben.
Bei meinem dritten grässlichen Tee dachte ich über den Kerl im schwarzen Anzug nach. »Alles okay?«, fragte meine Lieblingsbarfrau Maike, und ich versicherte ihr, dass es mir, trotz des Tees, gutgehe. Alles, was Maike sprach, selbst wenn es eine Abfuhr wie »der Platz hier ist besetzt« oder »hau ab, Kleiner« war, klang in ihrer samtweichen Stimme wie ein Gedicht von Ringelnatz. Einen Augenblick später stand sie schon wieder an ihrer Bar. Es durfte nicht zu schwer sein, den »Charles Bronson« im Gewimmel zu finden. Als ich schon loswollte, um nach ihm zu sehen, tauchte er wie aus dem Nichts an Giannis Espressobar gegenüber der Tür auf. Mein Blick wanderte zu Alberto und seinen Kumpels, fünf Mann. Sie hatten von Theos Bar eine Flasche Wodka rüber zu Gianni geholt und feierten dort irgendwas. Alberto hatte eine der größten Pizzerien auf der Leopoldstraße von seinem Padrone geerbt; an guten Tagen hauten sie an die fünfhundert Pizzen raus. Wir hatten alle immer geglaubt, dass er ein Mafioso sei. Im P1 aber machte er keine Anstalten, diesen Eindruck zu erwecken, obwohl er optisch perfekt in die Rolle eines Don gepasst hätte. Sein schwerer Rosshaarmantel hing ihm über den Schultern, die dunkle Krawatte war akkurat gebunden, und er trug einen schönen grauen Hut. Er hatte tatsächlich was vom späten Marlon Brando. Der Typ im schwarzen Anzug pirschte sich mittlerweile bis auf einen Meter an die Italiener ran; er hielt eine Espressotasse in der Hand und spreizte dabei den kleinen Finger ab. Irgendwas war da im Busch. Giannis Leidenschaft war es, Harmonie zu versprühen. Er machte den Clown für den »Bronson« und Alberto, sie sollten sich alle vergnügen an seiner Bar, sagte er immer. Alberto legte seinen Mantel auf einen Barhocker und drehte sich zu dem Typ mit dem schwarzen Anzug, dann sahen sie sich an, Auge in Auge, kein Blinzeln.
»Kennen wir uns?«, stutzte Alberto und der Anzugmann sagte: »Wir hatten schon mal miteinander zu tun.« – »Ja? Wo denn?«, fragte Alberto und er bekam die Antwort sofort: »In deinem Laden. Du wolltest mir damals etwas geben, was du aber leider nicht hattest.« Und Alberto: »Scusi, kann mich überhaupt nicht dran erinnern.« Die vier Mafiatypen von Alberto horchten jetzt auf, doch der durchdringende Blick des Anzugtypen sorgte auch bei ihnen dafür, dass sie sich erst mal wieder auf ihre Barhocker setzten. In diesem Moment griff er mit der rechten Hand in sein Jackett und holte die Pistole raus, eine Walther PPK, die mit der Lizenz zum Töten. Sie lag ruhig in seiner Hand, als er sie auf Alberto richtete. Im Nu war Alberto zur Salzsäure erstarrt und seine Kompagnons sprangen zu Gianni hinter die Theke, sodass der schiefe Turm aus Espressotassen mit großem Geklirre umkippte. Sofort sprangen Kurt und ich los und auf »Bronson« drauf. Unser Vorteil dabei war, dass er mit dem
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