Du lebst, solange ich es will
einen Speed-Junkie hält? Oder wollen sie mich ausfragen, warum Kayla die Schicht mit mir tauschen wollte? »Sie müssen mir sagen, wo ich hinkommen soll.«
Statt mir zu antworten, sagt sie: »Weißt du, wie man diesen Drew erreichen kann, der auch in der Pizzeria arbeitet?«
Als ich seinen Namen höre, zieht sich alles in mir zusammen. Ich habe keine Ahnung, was mit seiner Mutter passiert ist, nachdem sie von der Polizei abgeholt wurde, aber es kann nichts Gutes sein. Drew sah aus, als wäre es ihm furchtbar unangenehm, dass ich das alles mitanhören musste. Nachdem Wachtmeister Thayer gegangen war, bat Pete Miguel bis zum Ladenschluss zu arbeiten. Mit Drew allein war die Arbeit nicht nur entspannter, wir konnten nebenbei auch reden. Doch so hing alles zwischen uns noch in der Luft.
»Ja«, sage ich. »Ich habe seine Handynummer.«
»Könntest du ihn bitten, ebenfalls vorbeizukommen? Wir müssen mit euch beiden über ein paar wichtige Dinge sprechen.«
»Ich frage ihn, ob er Zeit hat.« Vielleicht ist es besser, wenn Drew dabei ist. Möglicherweise sind wir in ihren Augen beide schuldig, nur jeweils auf andere Weise.
Zehn Minuten später halte ich an einer Straßenecke, an der Drew auf mich wartet. Er hat ein graues Kapuzenshirt an, das sein Gesicht verdeckt, obwohl es draußen warm ist. Er wollte nicht, dass ich ihn von zu Hause abhole. Ich weiß noch nicht einmal, ob er tatsächlich irgendwo in der Nähe dieser Straßenecke wohnt.
»Hi«, sagt Drew, als er einsteigt.
»Hi.«
»Was meinst du, wollen die von uns?«
»Vielleicht uns anschreien?« Ein bitterer Geschmack steigt in meiner Kehle auf. »Ich habe die Schicht mit ihr getauscht. Du hast die Bestellung aufgenommen und sie allein fahren lassen. Kann sein, dass sie uns sehen und denken >es hätte einer von euch sein sollen<.«
Ich hoffe, er sagt, ich soll mich nicht lächerlich machen, aber er zuckt nur mit den Schultern. Dann fällt mir ein, dass Drew ganz andere Sorgen hat. »Was ist mit deiner Mutter?«
»Man hat sie bis zur Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie freigesprochen wird.« Er fährt sich mit den Handflächen übers Gesicht. »Nicht, wenn sie Fotos haben.«
Auf einmal sind mir mein schönes Auto und unser großes Haus peinlich. Meine Eltern mit ihren guten Jobs. Hasst Drew mich deswegen? Wir hören schweigend Flea Market Parade , die »The Criminal in my Head« singen.
Das Haus der Cutlers ist lang und flach und erinnert mich ein wenig an die Schuhschachtel, in der ich Barbie und Ken immer aufbewahrt habe. Mrs Cutler öffnet die Tür so schnell, dass sie dahinter gestanden und auf uns gewartet haben muss. Eine graue Katze zwängt sich an ihr vorbei und verschwindet blitzschnell in einem der Büsche. Mrs Cutler hat die gleichen schwarzen Haare wie Kayla, nur mit silbernen Strähnchen durchzogen. Ich habe sie ein paarmal in der Pizzeria gesehen, wenn sie vorbeigekommen ist, um Kayla etwas zu bringen.
Wir folgen ihr ins Haus. Die Luft riecht abgestanden. Schlimmer. Irgendwie muffig. Teller mit Essensresten stehen auf dem Wohnzimmertisch, dem Fernseher, sogar auf dem Fußboden.
Ein Mann mit Halbglatze, vermutlich Mr Cutler, sitzt auf einer goldenen Veloursledercouch. Er hebt kurz den Kopf, sieht uns desinteressiert an und starrt dann wieder auf seine Hände.
Kyle Cutler sitzt neben ihm. Ich kann mich noch an ihn von damals erinnern, als ich in der Neunten war. Genau wie Kayla sieht er gut aus und ist bei allen beliebt, sodass ich sogar als Neuling an der Schule seinen Namen kannte. Er müsste mittlerweile aufs College gehen.
Im Wohnzimmer befindet sich noch eine vierte Person, eine blonde Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Ihre Haare sind etwas zu lang für jemanden, der ungefähr so alt ist wie Kaylas Eltern. Sie ist von allen am besten angezogen, trägt ein schwarzes Kostüm, eine dunkelrote Seidenbluse und hohe Absatzschuhe. Sie nickt uns zu.
»Danke, dass ihr gekommen seid«, sagt Mrs Cutler. »Ihr seid ein weiteres Glied in der Kette, von der wir hoffen, dass sie uns zu Kayla führt.«
»Wir haben der Polizei schon alles gesagt, was wir wissen.« Ich versuche überzeugend zu klingen, doch meine Stimme zittert.
»Ach ja?«, sagt Kyle. Er verzieht den Mund. »Wenn ihr der Polizei alles gesagt habt, wieso habt ihr sie dann nicht sofort angerufen, als Cody Renfrew in der Pizzeria aufgetaucht ist und nach Kayla gefragt hat?«
»Alle möglichen Leute fragen nach Kayla«, sagt Drew.
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