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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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nicht genug Platz für sie zum Aufstehen, aber sie steht und ihr Gesicht ist nur wenige Zentimeter von dem geschminkten Gesicht der Hellseherin entfernt. Und sie schreit, dass Kayla lebt, dass sie nicht leblos im Fluss liegt, wie die Hellseherin behauptet hat.
    Obwohl die Hellseherin das genau genommen nicht gesagt hat. So wie sie es ausgedrückt hat, könnte man es auch so verstehen, dass Kayla sich in der Nähe von einem Fluss oder Strom befindet. Oder nur einem Wasserrohr. Man muss ihre schwammige Ausdrucksweise schon bewundern. Die Hellseherin hat noch nicht einmal klipp und klar gesagt, dass Kayla tot ist.
    Aber man wusste, was sie meinte.
    Und jetzt fährt Gaby sie an.
    Die Frau will einen Schritt zurückweichen, vergisst aber, dass hinter ihr der Wohnzimmertisch steht. Sie schreit auf und taumelt rückwärts. Ich packe sie gerade noch so am Handgelenk. Nachdem ich sie wieder auf die Beine gezogen habe, schüttelt sie meine Hand ab, als wäre ich ein lästiger Köter an ihrem Bein. Sie tritt zur Seite, um von uns Abstand zu gewinnen, und verschränkt die Arme.
    Mrs Cutler blickt zwischen der Hellseherin und Gaby hin und her. Es scheint, als könnte sie sich nicht entschließen, wem sie glauben soll.
    »Ich weiß, dass Kayla noch lebt«, wiederholt Gaby. Doch ihre Stimme bebt.
    »Was hast du gesehen, Elizabeth?«, fragt Mrs Cutler. »Lebt Kayla?«
    »Hätte mich eine bestimmte Person nicht unterbrochen, könnte ich euch sagen, was ich gesehen habe. Aber jetzt ist die Verbindung gestört. Ich kann gar nichts mehr sehen.«
    Alle blicken Gaby finster an. Ich packe sie am Ellbogen und schleife sie zur Tür. Sieht so aus, als wäre es heute mein Job, Leute aus brenzligen Situationen herauszuholen. »Wir gehen jetzt besser.«
    Sie wehrt sich einen Moment, dann folgt sie mir. »Tut mir leid«, sagt sie in den Raum hinein.
    Vier Leute starren sie an. Und keiner wirkt sonderlich versöhnlich.
    »Was sollte das eben?«, frage ich, als wir draußen sind.
    »Gar nichts. Ich habe nur gemacht, was sie gesagt hat. Ich habe versucht, mir Kayla vorzustellen, und auf einmal war sie da. Ich habe sie gesehen. Und ich wusste, dass sie noch lebt.« Sie atmet zitternd ein. »Allerdings sah Kayla nicht gerade gut aus. Sie wirkte geschwächt. Aber sie war am Leben.«
    »Das hast du neulich am Fluss schon gesagt.«
    »Und damals hast du mir recht gegeben.« Sie holt die Schlüssel heraus.
    Ich zucke mit den Schultern. »Kann schon sein. Aber vermutlich, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass Kayla tot ist. So was dauert eine Weile, bis man es begreift, verstehst du?«
    »Das hat mit dem, was eben bei den Cutlers passiert ist, nichts zu tun. Ich habe sie wirklich gesehen, Drew.«
    »He, wer sollte noch mal die Hellseherin da drin sein? Sie bezahlen die Frau dafür, dass sie ihnen sagt, was wirklich passiert ist.«
    »Die wollte sich doch nur nach allen Seiten hin absichern.«
    Vielleicht glaubt Gaby wirklich, dass sie weiß, wie es um Kayla steht, aber wahrscheinlich wünscht sie sich es nur. Jeder wünscht es sich. Aber ich muss daran denken, was Pete über den blutigen Stein gesagt hat. Ich denke an das aufgewühlte Flussbett. Der Fluss verschlingt vieles und gibt es nie wieder her.
    Unter Gabys Augen liegen tiefe Schatten. »Schläfst du eigentlich genug?«, frage ich, als wir ins Auto steigen.
    Ich wollte damit das Thema wechseln, aber Gaby folgt mir nicht ganz. »Was? Meinst du, ich habe mir das alles eben nur eingebildet? Dass ich eingeschlafen bin, als wir die Augen schließen sollten, und alles nur geträumt habe, weil ich so müde bin? Vergiss es.«
    Vielleicht hat Gaby recht. Vielleicht habe ich das wirklich gedacht.
    »Schon möglich, dass diese Elizabeth Lamb wirklich etwas heraufbeschwören kann«, sagt sie. »Und weil ich in ihrer Nähe war, konnte ich Kayla sehen.«
    »Wieso habt ihr dann nicht dasselbe gesehen?«, wende ich ein.
    »Keine Ahnung. Ich habe einfach nur gesehen, dass Kayla hinter ihr stand. Sie lag nicht in irgendeinem Auto oder sonst wo. Sie stand einfach nur da und sah traurig aus. Und ich hatte das Gefühl, sie wirklich zu sehen. Als wäre sie echt.«
    Na sicher doch, kleine Kinder glauben auch, der Weihnachtsmann wäre echt. Es geht doch nur darum, was man glauben will. Aber das sage ich nicht.
    Die Sache ist die: Ich glaube, mir wäre lieber, Kayla wäre tot. Denn was wäre die Alternative? Dass sie jemand entführt hat. Entweder dieser Cody oder jemand anderes, jemand Schlimmeres. Jemand hat

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