Du lebst, solange ich es will
England bestellen. Es kam erst heute an, am Tag, an dem ich das Modell abgeben muss. Sie gehört zu einem Zirkusset und streckt die Arme eigentlich nach einem Trapez aus, aber meinen Zwecken dient sie auch bestens.
Die Achterbahn ist Teil eines Modells von einem geplanten Erlebnispark an der Küste, für den noch Finanzgeber gesucht werden. Der Maßstab muss groß genug sein, damit die Investoren sich alles vorstellen können. Damit sie in Gedanken die Wege entlangschlendern und an den Fahrgeschäften Schlange stehen können. Aber das Modell muss trotzdem noch durch eine Tür passen.
Während ich darauf warte, dass der Kleber fest wird, denke ich an Cody Renfrew. Ich habe seinen weißen Lieferwagen an dem Abend gesehen. Bin direkt daran vorbeigefahren, mit Kayla Cutler bewusstlos im Kofferraum. Ich hatte so getan, als würde ich ihn nicht sehen, die Hände locker auf dem Lenkrad.
Dieser Renfrew muss wirklich nichts mitbekommen haben, sonst hätte er es der Polizei gesagt.
Ich widerstehe der Versuchung, die Figur loszulassen, um zu sehen, ob sie schon hält. Es wäre noch zu früh und Ungeduld führt immer zu Problemen. Ich arbeite rund um die Uhr, um den Abgabetermin einzuhalten. Weil das Modell immer erst sehr spät im Designprozess gebaut wird, bin ich derjenige, der die vorangegangenen Verzögerungen wettmachen muss. Gestern habe ich meine Arbeit nur einmal unterbrochen, und zwar um zur Beerdigung zu gehen. Es fiel mir schwer, mein Lächeln zu unterdrücken. All diese Menschen, die auf den voll besetzten Kirchenbänken heulten. Meinten, sie wüssten alles. Obwohl sie nicht die geringste Ahnung haben.
Mit meiner freien Hand nehme ich ein Farbmuster, um sicherzugehen, dass es denselben Farbton hat wie die Metalldecke. Ich habe Muster für alle Materialien: Metall, Backstein, Fels, Zierleisten, Holz, Verkleidungen. Für jede Farbe braucht man genau genommen drei, um dem Ganzen Tiefe zu geben: eine als Basis, eine für die helleren Stellen und eine für die Schatten. Während die Anstriche trockneten, habe ich ab und zu ein Nickerchen auf der Couch gehalten. Gestern hat Kayla geschrien, aber heute ist sie ruhig. Immer wenn ich aufwache, bin ich etwas benommen, aber wenn ich erst mal den Pinsel in der Hand halte, konzentriere ich mich wieder ganz aufs Detail.
Geduld, Ausdauer und Präzision. Das ist mein Handwerkszeug. Die Körnung von Sandpapier, das richtige Messer oder der richtige Meißel, der passende Grundanstrich, der richtige Farbton, egal ob Glasur, seidenmatt oder matt - all diese Dinge sind entscheidend. Es gibt noch andere Architektur-Modellbauer in der Stadt, aber keiner ist so gut wie ich. Ein paar sind Stümper, die Aquariumkies als Steinfassade benutzen. Schon allein bei der Vorstellung wird mir schlecht.
Ich habe Kayla seit mehreren Tagen nichts zu essen gegeben, um sie zu schwächen. Mein Plan ist, sie zu erwürgen, sie im Schlaf zu überraschen und das Ganze hinter mich gebracht zu haben, bevor sie überhaupt dazu kommt, sich zu wehren. Dazu habe ich an einer Schnur zwei Griffe befestigt. Ich werde es nicht wie bei der anderen machen - zu viel Blut. Und es hat ewig gedauert, bis sie endlich gestorben ist.
Mit Kayla wird es einfacher sein. Und dann bringe ich sie zum Fluss und lasse ihn alle Beweise davonspülen.
Der vierzehnte Tag
KAYLA
Ich werde hier drin sterben. In diesem bescheuerten Loch. Ich werde meine Freunde, Kyle oder meine Eltern nie wiedersehen. Ich werde nie aufs College gehen.
Ich werde nie wieder duschen, Wampus streicheln, Limo trinken oder barfuß über unseren weichen grünen Rasen laufen. Ich werde nie nach Hawaii oder Florida fliegen. Ich werde nie wieder jemanden umarmen oder Gitarre spielen.
Oder essen. Er hat mir schon seit Ewigkeiten nichts mehr zu essen gebracht. Ich schätze, schon seit über zwei Tagen nicht.
Als ich hier das erste Mal aufwachte, dachte ich, es wäre die Wunde an meinem Kopf, an der ich sterben würde. Jetzt glaube ich, dass er mich hier drin verhungern lassen will. Aber wie lange wird das dauern? Kann es bei manchen Leuten nicht an die drei Monate dauern, bis sie verhungern?
Ich weiß, dass es schneller geht, wenn man nichts zu trinken hat, aber ich habe noch acht Wasserflaschen. Außerdem ist immer genügend Wasser im Toilettenkasten, wenn er es nicht von außen abdreht.
Vielleicht hätte ich ihm meinen Körper zum Tausch anbieten sollen. Vielleicht hätte ich so überleben können. Rein äußerlich zumindest. Aber etwas in meinem
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