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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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Haaren bedeckt, ungefähr sieben Zentimeter an der längsten Stelle. Die Iriden sind braun, die Pupillen starr und geweitet. Kopf unauffällig, keine Spuren von äußerer Verletzung vor dem Tod, Beschreibung siehe unten.
    Es wurden keine Tätowierungen, Missbildungen oder Amputationen gefunden.
    Die Leiche wurde vom Gerichtsmediziner wie beschrieben vorgefunden. Identifizierung erfolgte durch Namensschild am Zeh, die Obduktion ist nicht von Belang für die Identifikation. Die Leiche ist nicht einbalsamiert.
    ANATOMISCHER ABRISS:
    Schusswunde am Kopf, glatter Durchschuss.
    A. Eintritt - rechte Schläfe, aus unmittelbarer Nähe
    B. Verlauf - Haut, rechter hinterer Augapfel, untere  rechte Schädelgrube, Keilbein, linker (hinterer) Augapfel
    C. Ausgang - linke Schläfe
    D. Geschossbahn - rechts nach links

Der dreizehnte Tag
DREW
    Als Gaby und ich den Eingangsbereich der Kirche betreten, steht ein großes Foto von Kayla auf einer Staffelei direkt neben der Tür. Es ist ihr Schulfoto, das sie schon überall gezeigt haben. Wenn ich es jetzt sehe, kann ich Kayla darauf kaum erkennen. Es sind nur noch Farbpunkte auf einem Blatt Papier.
    Die Kirche ist proppenvoll, obwohl die Zeremonie erst in zwanzig Minuten anfängt. So viele Menschen auf einem Haufen habe ich bisher nur bei einem Konzert oder Fußballspiel gesehen. Nicht bei einer Beerdigung. Allerdings war ich noch nie zuvor bei einer Beerdigung gewesen.
    Pete hat die Pizzeria heute zugemacht und alle Mitarbeiter sind hier. Ich sehe jede Menge Lehrer und Schüler. Und ein paar Leute, die ich nicht kenne. Zuerst denke ich, dass es Verwandte oder Nachbarn von Kayla sind. Doch dann fällt mir auf, dass sie mit niemandem reden. Sie stehen einfach allein da und beobachten alles, ganz in Ruhe, und saugen die Szene in sich auf. Ich frage mich, wie viele von ihnen Fremde sind, Leute, die meinen, ein Stück von Kayla gehört auch ihnen, nur weil sie ihr Foto im Fernsehen gesehen oder ein paarmal etwas über sie gelesen haben. Wahrscheinlich sind sie enttäuscht, dass es hier kein Popcorn zu kaufen gibt.
    Gaby hat eine graue Bluse und ein schwarzes Kostüm an. Sie sieht schon jetzt aus, als würde sie aufs College gehen. Vielleicht sogar noch älter. Die meisten Jungen tragen keinen Anzug, nur ein Hemd mit einer Krawatte. Einige der Krawatten sind Clipkrawatten. Ich trage gar keine Krawatte, nur schwarze Cord-Levi’s und ein weißes Hemd. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ich das Bügeleisen zwischen dem ganzen Müll gefunden habe, den meine Mutter in unsere Schränke gestopft hat. Sie behauptet, ab jetzt würde sie nicht noch mehr Krempel anschleppen, sie würde keine Drogen mehr nehmen und sich nicht mehr mit Gary treffen. Die Festnahme hätte sie wachgerüttelt.
    Wer’s glaubt, wird selig.
    »Ich sehe in den Klamotten aus wie ein Kellner«, flüstere ich Gaby zu. »Darf ich Ihnen etwas von unserer Tageskarte empfehlen?« Ich würde alles darum geben, sie lächeln zu sehen, oder nur ein Zucken ihrer Mundwinkel. Seit wir erfahren haben, dass Cody sich umgebracht und um Vergebung gebeten hat, steht Gaby völlig neben sich.
    Sie hört mich scheinbar nicht. Es ist laut. Die Leute streifen durch den Raum, reden und gestikulieren. Viele von ihnen weinen. Jade und Courtney sind am Boden zerstört, sie weinen und schluchzen heftig. Selbst Miguel sieht aus, als hätte er geweint.
    Eine ältere Frau vor uns sagt zu ihrem Mann: »Sobald das hier vorbei ist, gehen wir nach Hause und stellen den Fernseher an. Bei Opal ist diese Hellseherin im Studio. Die gesagt hat, was mit Kayla passiert ist.«
    Gaby erstarrt neben mir. Ich berühre sie am Arm und wir gehen weiter, damit sie nicht noch mehr über Elizabeth Lamb hören muss.
    Jemand hat ein Stück braunes Packpapier auf einen langen Klapptisch geklebt. In der Mitte steht mit dicken schwarzen Buchstaben AUF WIEDERSEHEN KAYLA. Leute hinterlassen Nachrichten mit Edding, die auf dem Tisch liegen.
    Gaby und ich bahnen uns den Weg dorthin, um ein paar der Nachrichten zu lesen. Einige sind an Kaylas Familie gerichtet, aber die meisten an Kayla selbst. »Ich werde dein Lächeln vermissen.« »Du hast mich immer zum Lachen gebracht.« »Die Welt ist kleiner ohne dich.«
    Ich nehme einen Stift, ziehe die Kappe ab, stehe dann aber einfach nur da und halte ihn über das Papier. Was soll ich schreiben? »Es tut mir leid« würde es noch nicht einmal halbwegs auf den Punkt bringen. »Es hätte mich treffen sollen«, schreibe ich, unterzeichne aber

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