Du musst die Wahrheit sagen
Umzugskartons herum. Aus den Stiefeln war ich herausgewachsen, aber ohne Strümpfe gelang es mir schließlich, meine Füße hineinzuzwängen.
Zuerst mähte ich das Gras vor der Veranda, auf der Mama saß. Ich mähte bis zu den Erlen hinunter und auf der anderen Seite der Bäume wieder hinauf. Ich mähte sogar die Büschel ab, die direkt am Wasser wuchsen.
Mama rief mir zu, ich solle das Gras auch zusammenharken, also holte ich eine Harke und einen Rechen aus dem Keller. Der Rechen war besser als die Harke, also benutzte ich ihn, ein altmodisches Ding mit hölzernen Zinken, das sehr leicht zu handhaben war. Die zusammengeharkten Grashaufen deponierte ich unter der Erle neben dem Boot.
Dann mähte ich bis zur Eiche hinauf und zwischen den knorrigen Apfelbäumen, die sich unter ihrer Last bogen, hin und wieder trat ich im Gras auf einen Apfel. An jedem Baum war mit Stahldraht ein kleines Holzschild befestigt, auf das jemand vor langer Zeit »Ingrid Marie«, »Gravensteiner« und die anderen Namen der verschiedenen Apfelsorten geschrieben hatte. Die blaue Schrift war verblasst und kaum noch zu lesen.
Als ich das Gras um die Eiche und die beiden ersten Apfelbäume zusammengeharkt hatte, merkte ich, dass ich unbedingt Handschuhe brauchte. Mama war einkaufen gefahren, ich suchte im Keller und fand ein Paar Arbeitshandschuhe mit roten Farbflecken. Bevor ich weitermachte, ging ich in die Küche und nahm ein Weinglas aus einem Karton. Es war in Zeitungspapier eingewickelt, und während ich zwei Gläser Wasser trank, las ich einen Artikel über eine Einbruchserie in Bredsand.
Dann ging ich wieder nach draußen und mähte weiter zwischen den Apfelbäumen. Von Zeit zu Zeit harkte ich das Gras zusammen und trug es zu den Haufen unter der Erle. Nachdem ich fast die ganze Fläche um die Apfelbäume gemäht hatte, war die Haut an beiden Händen zwischen Daumen und Zeigefinger aufgescheuert.
Mama kam vom Einkaufen zurück und briet uns Knoblauchwürste, die ich mit weißen Bohnen aß. Die rote Soße tunkte ich mit einem Stück Weißbrot auf, danach trank ich einen halben Liter Milch und aß eine Portion Eis mit Himbeeren. Ich esse ziemlich viel, aber obwohl ich eins achtzig groß bin, wiege ich nicht mehr als sechzig Kilo. Mama aß eine halbe Wurst und einen Löffel voll Bohnen. Sie macht eine Diät nach der anderen, und wenn sie sich gerade nicht in die Hüfte kneift und behauptet, sie sei zu fett, macht sie sich Sorgen, sie könnte zu mager sein. Als ich mit dem Essen fertig war, kam Annie nach unten. Sie trug nur eine Unterhose und ein T-Shirt, und die Haare hingen ihr ins Gesicht. Sie ging zum Kühlschrank, öffnete dieTür und blieb davor stehen, während sie sich am Ellenbogen kratzte.
»Was möchtest du haben?«, fragte Mama.
»Gibt’s keine Dickmilch?«
»Nur Joghurt.«
»Gibt’s denn keine Dickmilch?«
»Ich hab Joghurt gekauft.«
»Und was soll ich nun essen?«
»Joghurt.«
»Du weißt, dass ich Dickmilch will!«
Annie knallte die Kühlschranktür zu und warf Mama einen vernichtenden Blick zu. Ich stand auf und räumte die Teller in die Geschirrspülmaschine.
»Die ist noch nicht angeschlossen«, sagte Mama.
Annie sah aus, als wollte sie jeden Moment anfangen zu weinen.
»Ich habe nur einen einzigen Wunsch zum Frühstück. Wieso kriege ich nicht, was ich möchte?«
»Ich hole heute Nachmittag Dickmilch.«
Annie wurde lauter.
»Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt essen?«
»Tom hat ein paar Kabanossi gegessen. Es gibt …«
»Ich esse keine Schweineohren und Schweineschwänze!«
Annie stürmte hinaus. Sie lief wieder nach oben und donnerte ihre Zimmertür hinter sich zu.
Als ich das ganze Grundstück mit der Sense gemäht und das Gras zusammengeharkt hatte, war die Sonne hinter zwei riesigen Birken auf dem Nachbargrundstück verschwunden. Ich brachte die Sense in den Keller und schleppte den Rasenmäher nach oben.
Dreimal musste ich am Seilstarter reißen, dann sprang der Motor an, und ich begann, das Gras entlang der Hecke zum Nachbargrundstück zu mähen. Die Hecke warf einen Schatten,und die Hängebirken schützten mich vor der Sonne. Ich hatte gerade drei Bahnen geschafft, da fing der Motor an zu stottern und blieb stehen.
Im Keller fand ich einen Fünf-Liter-Benzinkanister mit einem Zettel, auf den jemand »Rasenmäher« geschrieben hatte. Die Schrift war verblasst, sodass sie kaum noch zu entziffern war. Ich brachte den Kanister nach oben und schraubte den Verschluss ab. Da hörte ich
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