Du oder das ganze Leben
hinaus.
Luis’ leise Stimme bricht das Schweigen. »Manchmal müssen gute Menschen Dinge tun, die nicht gut sind. Stimmt’s?«
Ich zerzause sein Haar. Luis ist viel unschuldiger, als ich es in seinem Alter war. »Weißt du was, ich glaube, du bist der Klügste von uns allen, kleiner Bruder. Jetzt geh ins Bett und lass mich mit Carlos reden.«
Ich finde Carlos auf unserer Veranda, die an den Nachbargarten grenzt.
»Ist er so gestorben?«, fragt er, als ich mich neben ihn setze. »Bei einem Drogendeal?«
»Mm.«
»Und er hat dich mitgenommen?«
Ich nicke.
»Der Bastard, du warst erst sechs.« Carlos stößt theatralisch die Luft aus. »Ich habe Hector heute bei den Basketballplätzen an der Main Street gesehen.«
»Halt dich von ihm fern. Die Wahrheit ist, ich hatte keine Wahl, nachdem papá gestorben war und jetzt kann ich nicht zurück. Wenn du glaubst, ich sein ein Latino Blood, weil ich es toll finde, täuschst du dich. Ich möchte nicht, dass aus dir eines wird.«
»Ich weiß.«
Ich sehe ihn so streng an, wie unsere Mutter mich früher angeblickt hat. Wenn ich Tennisbälle in ihre Strumpfhose gelegt und sie als Schleuder benutzt habe, um zu sehen, wie hoch sie fliegen. »Hör mir zu, Carlos, und hör genau hin. Konzentrier dich auf die Schule, damit du aufs College gehen kannst. Mach etwas aus dir.« Im Gegensatz zu mir.
Es ist lange still.
»Destiny möchte auch nicht, dass ich ein LB werde. Sie will,
dass ich auf die Uni gehe und Krankenpflege studiere.« Er gluckst. »Sie hat gesagt, es wäre doch toll, wenn wir auf dieselbe Uni gehen würden.« Ich halte den Mund und höre ihm zu, weil es wichtig für ihn ist, dass ich aufhöre, ihm Ratschläge zu erteilen und ihn seine eigenen Pläne machen lasse. »Ich mag Brittany«, sagt er.
»Ich auch.« Ich denke an das, was vorhin im Auto passiert ist. Ich habe völlig den Kopf verloren. Hoffentlich habe ich es mir nicht mit ihr versaut.
»Ich habe gesehen, wie Brittany sich auf der Hochzeit mit mamá unterhalten hat. Sie hat sich gut geschlagen.«
»Ich will dir ja nicht deine Illusionen rauben, aber sie ist kurz darauf im Bad zusammengeklappt.«
»Für jemanden, der so klug ist, bist du ganz schön loco , wenn du meinst, du bekämest alles allein auf die Kette.«
»Ich halte einiges aus«, versichere ich Carlos. »Und ich bin darauf vorbereitet, dass es gefährlich werden könnte.«
Carlos tätschelt meinen Rücken. »Irgendwie, Bruder, glaube ich, dass ein Mädchen von der Northside zu daten härter ist, als in einer Gang zu sein.«
Das ist die perfekte Gelegenheit, meinem Bruder reinen Wein einzuschenken. »Carlos, wenn sie dir von Brüderlichkeit und Ehre und Loyalität erzählen, hört es sich großartig an. Aber sie sind nicht deine Familie, weißt du. Und sie sind nur so lange deine Brüder, wie du bereit bist, alles zu tun, was sie von dir verlangen.«
Meine Mom öffnet die Tür und sieht auf uns herunter. Sie sieht so traurig aus. Ich wünschte, ich könnte ihr Leben verändern und ihr den Schmerz nehmen, aber ich weiß, dass ich das nicht kann.
»Carlos, lass mich allein mit Alejandro reden.«
Als Carlos ins Haus zurückgekehrt ist und außer Hörweite,
setzt sich meine Mom neben mich. Sie hat eine Zigarette in der Hand, die erste, die ich sie seit langer Zeit rauchen sehe.
Ich warte darauf, dass sie beginnt. Ich habe heute Nacht schon genug gesagt.
»Ich habe in meinem Leben eine Menge Fehler gemacht, Alejandro«, sagt sie und bläst Zigarettenqualm zum Mond hinauf. »Und einige davon kann ich nicht wiedergutmachen, egal wie sehr ich den Herrn darum bitte.« Sie streckt die Hand aus und streicht mir das Haar hinter die Ohren. »Du bist ein Teenager, der die Verantwortung eines Mannes trägt. Ich weiß, das ist dir gegenüber nicht fair.«
» Está bien .«
»Nein, das ist es nicht. Ich bin auch zu schnell erwachsen geworden. Ich habe noch nicht mal die Highschool abgeschlossen, weil ich mit dir schwanger wurde.« Sie sieht mich an, als sähe sie sich selbst vor nicht allzu langer Zeit als Teenager. »Oh, ich wollte so gern ein Baby haben. Dein Vater wollte bis nach der Highschool warten, aber ich habe dafür gesorgt, dass es früher passierte. Alles, was ich wollte, war eine Mom zu sein.«
»Bereust du es?«, frage ich sie.
»Eine Mom zu sein? Niemals. Deinen Vater verführt und dafür gesorgt zu haben, dass er kein Kondom benutzt. Ja.«
»So genau wollte ich es gar nicht wissen.«
»Nun, ich werde es dir erzählen, ob du es
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