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Du oder das ganze Leben

Titel: Du oder das ganze Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Elkeles
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gestorben ist. Warum gehen wir nicht zurück nach Mexiko? Sag Onkel Julio, dass er seine Ersparnisse vergeudet hat, als er uns nach Amerika schickte. Oder hast du etwa Angst davor, nach Mexiko zurückzugehen und deiner Familie gestehen zu müssen, dass du hier gescheitert bist?«
    »Wir werden diese Diskussion nicht führen.«
    »Mach die Augen auf.« Ich strecke meine Arme zu beiden Seiten aus. »Was hast du hier, wofür es sich zu bleiben lohnte? Deine Söhne? Denn das ist eine faule Ausrede. Ist das für dich der wahr gewordene amerikanische Traum?« Ich zeige auf den Altar meines Vaters. »Er war ein Gangster, kein Heiliger.«
    »Er hatte keine Wahl«, sagt sie weinend. »Er hat uns beschützt.«
    »Und jetzt beschütze ich uns. Bekomme ich auch einen Altar, wenn es mich erwischt? Und Carlos? Denn er ist als Nächster an der Reihe, das weißt du. Und nach ihm Luis.«
    Mi’amá schlägt mir fest ins Gesicht, dann weicht sie erschrocken zurück. Dios mío , ich schäme mich dafür, sie dermaßen aufgebracht zu haben. Ich strecke meine Hand nach ihr aus,
meine Finger legen sich um ihren Oberarm, um sie zu drücken und mich bei ihr zu entschuldigen, aber sie zuckt zusammen. » Mamá ?«, sage ich und frage mich, was los ist. Ich habe sie nicht hart angefasst, aber sie verhält sich, als ob es so wäre.
    Sie befreit sich aus meinem Griff und wendet sich ab, aber ich kann das nicht auf sich beruhen lassen. Ich mache einen Schritt auf sie zu und schieb den Ärmel ihres Kleides hoch. Zu meinem Entsetzen entdecke ich eine fiese Prellung auf ihrem Oberarm. Lila, schwarze und blaue Schattierungen leuchten mir anklagend entgegen und meine Gedanken galoppieren zurück zu der Hochzeit, als ich meine Mutter und Hector ins Gespräch vertieft beobachtet habe.
    »War das Hector?«, frage ich sie sanft.
    »Du musst aufhören, Fragen über papá zu stellen«, sagt sie und zieht schnell den Ärmel runter, um die Prellung zu bedecken.
    In meinem Magen beginnt die Wut zu brodeln, als mir klar wird, dass mi’amá diese Prellung verpasst wurde, um mich zu warnen. »Warum? Wen versucht Hector zu schützen?« Beschützt er jemanden aus der Gang, oder einen Verbündeten der Latino Blood? Ich wünschte, ich könnte Hector fragen. Mehr noch, ich würde mich gerne an ihm rächen und ihm eine Abreibung verpassen, weil er meiner Mom wehgetan hat, aber Hector ist unantastbar. Forderte ich Hector heraus, wäre es, als wendete ich mich gegen die Bruderschaft selbst.
    Sie starrt mich wütend an. »Stell mir deswegen keine Fragen. Es gibt Dinge, die du nicht weißt, Alejandro. Dinge, die du besser nie erfährst. Lass es einfach auf sich beruhen.«
    »Meinst du in Unwissenheit zu leben sei was Tolles? Papá war in einer Gang und hat mit Drogen gedealt. Ich habe keine Angst vor der Wahrheit, verdammt. Warum versuchen alle um mich herum, sie vor mir zu verbergen?«

    Meine Hände sind verschwitzt und hängen verkrampft an meiner Seite. Ein Geräusch aus dem Flur erregt meine Aufmerksamkeit. Ich drehe mich um und sehe meine zwei Brüder, die Augen weit aufgerissen vor Verwirrung.
    Mist.
    Als mi’amá Luis und Carlos entdeckt, holt sie erschrocken Luft. Ich würde alles darum geben, diesen Schmerz von ihr nehmen zu können.
    Ich gehe auf sie zu und lege ihr sanft die Hand auf die Schulter. » Perdón, mamá .«
    Sie wischt meine Hand weg, unterdrückt einen Schluchzer und rennt in ihr Zimmer. Die Tür schlägt hinter ihr zu.
    »Ist das wahr?«, fragt Carlos. Seine Stimme klingt abgeschnürt.
    Ich nicke. »Ja.«
    Luis schüttelt den Kopf und zieht verwirrt die Augenbrauen zusammen. »Was sagt ihr zwei da? Das verstehe ich nicht. Ich dachte, papá war ein guter Mensch. Mamá hat immer gesagt, er war einer.«
    Ich gehe zu meinem kleinen Bruder und ziehe seinen Kopf an meine Brust.
    »Es waren alles Lügen!«, platzt Carlos heraus. »Du, er, alles Lüge. Mentiras !«
    »Carlos …«, sage ich, lasse Luis los und packe Carlos’ Arm.
    Carlos sieht meine Hand angewidert an, in ihm brodelt es. »Und die ganze Zeit dachte ich, du wärst ein Latino Blood, um uns zu beschützen. Dabei wollest du nur in papás Fußstapfen treten. In echt scheißt du darauf, ein Held zu sein. Du bist gerne ein LB, willst aber nicht, dass ich auch eins werde. Ist das nicht ganz schön scheinheilig, Bruderherz?«
    »Vielleicht.«
    »Du bist eine Schande für unsere Familie, das weißt du, oder?«

    Sobald ich meinen Griff lockere, stößt Carlos die Hintertür auf und stürmt

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