Du oder das ganze Leben
Northwestern, damit ich weiter zu Hause wohnen und helfen kann.«
»Nächstes Jahr wirst du dich auf dein Studium konzentrieren müssen und nicht auf deine Schwester. Brittany, hör zu«, sagt mein Dad und steht auf. »Wir müssen uns mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen. Nachdem, was sie dir gestern angetan hat …«
»Ich will nichts davon hören«, unterbreche ich ihn. »Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass ihr meine Schwester ins Heim abschiebt.« Ich schnappe mir die Broschüren. Shelley braucht ihre Familie, keine Einrichtung mit irgendwelchen Fremden. Ich reiße die Broschüren in der Mitte entzwei, schmeiße sie in den Müll und renne in mein Zimmer.
»Öffne die Tür, Brittany«, ruft meine Mutter kurze Zeit später und rüttelt an meinem Türgriff.
Ich sitze auf der Bettkante, in meinem Kopf dreht sich alles bei dem Gedanken, dass Shelley weggeschickt wird. Nein, es darf nicht passieren. Die Vorstellung macht mich krank. »Du hast Baghda noch nicht mal eingearbeitet. Es ist, als hättest du sowieso vorgehabt, Shelley wegzugeben.«
»Mach dich nicht lächerlich«, dringt die gedämpfte Stimme meiner Mutter durch die Tür. »Es gibt eine neue Einrichtung in Colorado. Wenn du die Tür öffnest, können wir uns darüber unterhalten wie zivilisierte Menschen.«
Ich werde es nicht zulassen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um meine Schwester zu Hause zu behalten.
»Ich möchte mich nicht darüber unterhalten. Meine Eltern
wollen meine Schwester hinter meinem Rücken in irgendeine Einrichtung stecken und mein Kopf fühlt sich an, als müsste er jeden Moment explodieren. Lass mich in Ruhe, okay?«
Etwas ragt aus meiner Hosentasche. Es ist Alex’ Bandana. Isabel ist keine Freundin, aber sie hat mir geholfen. Und Alex, der Junge, dem ich letzte Nacht mehr bedeutet habe als meinem Freund, hat sich verhalten wie mein Held und drängt mich, ihm die wahre Brittany zu zeigen. Weiß ich überhaupt, wie das geht?
Ich drücke das Bandana an meine Brust.
Und gestatte mir zu weinen.
22
Alex
Sie hat mich angerufen. Wenn es nicht den Fetzen Papier gäbe, auf den mein Bruder Luis ihren Namen und ihre Nummer gekritzelt hat, würde ich niemals glauben, dass sie tatsächlich meine Nummer gewählt hat. Luis in die Mangel zu nehmen hat nicht viel gebracht, weil dieser Chaot die Hirnkapazität eines Flohs hat und sich kaum daran erinnern konnte, den Anruf angenommen zu haben. Zumindest habe ich die Info aus ihm rausbekommen, dass sie um Rückruf gebeten hat.
Das war gestern Nachmittag, bevor sie meine Schuhe vollgekotzt hat und in meinen Armen eingeschlafen ist.
Als ich von ihr gefordert habe, sie solle mir die wahre Brittany zeigen, konnte ich die Angst in ihren Augen sehen. Ich frage mich, wovor sie Angst hat und nehme mir vor, ihre Mauer aus Perfektion niederzureißen. Ich weiß genau, dass da viel mehr ist, als eine blonde Mähne und ein heißer Körper. Sie hat Geheimnisse, die sie mit ins Grab nehmen will und solche, die sie nur zu gern mit jemandem teilen würde. Oh Mann. Sie ist mir ein Rätsel und ich brenne darauf, es zu lösen.
Als ich zu ihr sagte, wir seien uns ähnlich, war das mein völliger Ernst. Diese Verbindung, die wir haben, verschwindet nicht, sie wird immer stärker. Denn je mehr Zeit ich mit ihr verbringe, desto näher will ich ihr sein.
Ich habe das Bedürfnis, Brittany anzurufen, bloß um ihre
Stimme zu hören, selbst wenn sie nur ihr Gift verspritzen würde. Auf dem Sofa sitzend, klappe ich mein Handy auf und gebe ihre Nummer in mein Adressbuch ein.
»Wen rufst du an?«, fragt Paco, der ins Haus stürmt, ohne zu klingeln oder anzuklopfen. Isa ist direkt hinter ihm.
Ich klappe mein Handy wieder zu. » Nadie .«
»Dann beweg deinen Hintern von der Couch und komm mit Fußball spielen.«
Fußball zu spielen ist um einiges besser, als hier rumzusitzen und über Brittany und ihre Geheimnisse nachzudenken, selbst wenn ich immer noch die Nachwirkungen der gestrigen Party spüre. Wir machen uns auf den Weg zum Park, wo eine Handvoll Jungs sich bereits aufwärmt.
Mario, ein Typ aus meiner Stufe, dessen Bruder letztes Jahr aus einem fahrenden Wagen heraus erschossen wurde, haut mir auf den Rücken. »Machst du den Torwart, Alex?«
»Nein.« Ich habe, was man eine offensive Persönlichkeit nennen könnte. Im Fußball und im wahren Leben.
»Paco, was ist mit dir?«
Paco lässt sich überreden und nimmt seine Position ein, was bedeutet, dass er auf dem Arsch vor der Torlinie
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