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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Bediensteten, weil man sich spätestens seit dem alten Rom vor Sklaven für gar nichts zu schämen braucht, weil die ja eh keine Menschen sind, und ich entschuldigte mich bei Marvie für meine Indiskretion und sie möge mich nicht missverstehen, aber ich würde gerne wissen, wie es sich mit ihr und dem Wurstmann verhielte. Und Marvie sagte tatsächlich: »Der Blödmann ist durch.« Und mit glühenden Neuronen und verschwimmendem Blick artikulierte ich ein lautes »Halleluja!«. Marvie lachte. Die Kaffeemaschine hämmerte. Spanferkel wurde vorbeigetragen. Die Küchenfenster schwitzten wie ich des Nachts. Ich hätte noch stundenlang hier stehen bleiben können. Und meinetwegen auch den Löffel abgeben. Mein Ende würde friedvoll sein. Nun nahm Marvie mich bei der Hand und zog mich und sprach – ich muss zugeben, dass ich kein Wort verstand. Zum einen wegen der ablenkenden Klänge rings um uns, zum anderen, weil ich nur noch auf Marvies STIMME hörte, so dass ich für den Inhalt gar keine Kapazitäten mehr frei hatte. Diese helle Stimme mit den leichten Kratzern, wie ein feiner und spröder Gesang. Marvie machte mich mit einigen ihrer Schulfreunde bekannt, aber deren Namen hatte ich sofort vergessen. So geleitete sie
mich durch das Tohuwabohu, bis wir wieder an unserem Ausgangspunkt landeten: bei Gottvater. Der hatte inzwischen weiterhin fleißig seine Umstehenden mit Champagner vollgepumpt, spreizte weit seine Fittiche, nahm Marvie darunter, und die beiden begannen leise ein Vater-Tochter-Gespräch. Cromwell, der gemeine Sack, gab Zeichen, dass er sich gerne von der bewundernden Alexa befreien würde, und schob mich beinahe ruppig in deren Fänge. »Schlomo!«, rief sie begeistert, drückte mich auf ein Polster und setzte sich daneben. Dann ging ein Redefluss über mir hernieder. Ich verstand erst nur Bahnhof, und dann Hitler. Hitler, Hitler, Hitler. Wie zum Teufel kam Alexa hier und jetzt auf Hitler? Hatte der gerade Geburtstag? Oder wieder was Schlimmes angestellt? Oder hatte man ihn für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen? Oder für den Preis »Schönster Autobahnrastplatz des Nordens«? Ich musste abermals kichern beziehungsweise meckern wie eine alte Ziege, während mir die alte Ziege Alexa historisch auf die Sprünge half und erklärte, wie sehr sie Hitler verabscheue. Je nun, jeder verabscheut Hitler. Was soll man groß dazu sagen? »Gut, dass Sie ihn verabscheuen«? Oder: »Der kochte auch nur mit Wasser«? Alexa knetete meine Hand und sagte gerührt: »Schlomo! So was darf sich nie mehr wiederholen!« Auch ich fand, dass Alexa nicht noch mal meine Hand kneten sollte. Ihre zahlreichen Ringe schnitten in mein Fleisch. Ich blickte nieder auf Alexas Juwelen und versuchte abzuschätzen, wie lange ich wohl davon leben könnte. Alexa erklärte mir nun die Nürnberger Prozesse. Meine Marvie war noch immer bei Schwiegerpaps.
Cromwell teilte sich einen Happen mit Katharina. Eventuell die Anbahnung einer Romanze? Arme Katharina. Ritchie tauchte auf, sein Blick war besorgt. Als Beiboot führte er einen ebenso besorgt dreinblickenden Mendelssohn mit sich. Die beiden Besorgten gingen direkt auf Katharina und Cromwell los. Es wurde heftig geflüstert. Katharina riss den Kopf hoch und ihr Blick tastete hektisch die Menschenmenge ab. Ich unterbrach Alexas eindringliche Schilderung eines Pogroms und stellte mich zu den aufgeregten Freunden. Mendelssohn pochte mehrmals mit seinem Stöckchen aufs Parkett, als würde er die Ankunft eines mega-adeligen Ehrengastes ankündigen. Und Ritchie hatte den gehetzten Blick eines Menschen mit alsbald voller Hose. Alle redeten durcheinander. Schließlich begriff ich den Ernst der Lage: Ohne Einladung, aber mit einem teuflischen Grinsen im bösen Gesicht war soeben tatsächlich ein mega-adeliger Überraschungsgast eingetroffen, und zwar der Wurstmann. Ritchie berichtete atemlos, der Dicke habe sich offenbar an eine Kollegin von Marvie herangemacht und falle nun gerade mit ihr in unsere heile Welt ein, schamlos auf der fremden Einladung mitreitend. Und was man machen solle: Ihn unter Eklat rauswerfen oder ignorieren oder hoffen, dass er sich benehme? Mein erster Gedanke war »Marvie evakuieren«, und mein zweiter, dass ich als Marvies neuer Beschützer von jetzt ab Gefahr lief, vom Wurstmann auf die friedfertige Fresse zu bekommen. Und dass ich – Marvie hin, Reisekrankheit her – nicht zum Helden taugte. Und schon gar nicht – Champagner hin, Geilheit her – zum Prügelknaben. Weil

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