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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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meine breite Wenigkeit. Vielleicht überlegte sie ja, ob ich denn überhaupt durch die Tür passen würde. Ich zog den Bauch ein und ging seitlich durch die Türfüllung. Alles passte. Innerhalb von Sekunden standen wir inmitten des wohnzimmerlichen Gedränges; ich
hatte Mendelssohn untergehakt, und wir wurden durch das Gewühle von Marvie getrennt. Die Gäste standen wie sich wiegende Baumstämme herum, und Marvie leuchtete vom anderen Zimmerende durch diesen Wald hindurch. Da ich nicht wusste, wie ich mich zwischen all diesen Bäumen benehmen sollte, setzte ich ein friedfertig-allgemeines Lachen auf. »Was feixt du denn so bodenlos?«, fragte mich Cromwell. »Hast du was genommen?« Mendelssohn kniff mir erst besorgt in den Arm, dann schlug er sich begreifend an die Stirn: »Oh Gott! Hatte ich am Ende noch welche von diesen Dingsbums in der Apotheke?«
    »Diese Dingsbums …«, begann ich umständlich, »… gegen diese Dingsbums sollte nichts einzuwenden sein.«
    »Na dann!«, kicherte Cromwell.
    »Sollen wir wieder nach Hause gehen?«, fragte Mendelssohn.
    »Aber keineswegs!«, sagte ich vorwurfsvoll und summte die Melodie des uralten Rumms-Bumms-Schlagers »Jetzt geht die Par-ty rich-tig-los!«.
    »Vielleicht solltest du was essen. Wo ist das Buffet?« Ich führte Mendelssohn durch den Wald sprechender Bäume zu einer wahnwitzigen Pyramide aus weißem Stoff und silbernen Platten. Schwere, stumpfe Kerzenständer standen wie Gardesoldaten und bewachten ein Meer von Häppchen. Katharina und Laura flatterten herbei, richteten Teller für uns und schoben uns auf Polstersessel im Wintergarten. Cromwell scherzte und beflirtete die Mädchen, Mendelssohn aß zierlich Happen um Happen und ich – ich lächelte mein allgemein-friedfertiges Lächeln und
suchte über meinen Tellerrand hinaus nach einem Zipfel roten Tuches. Auf der Suche nach meinem roten Tuch Marvie, quasi wie ein sehr friedlicher Stier. Ein riesiger Mann mit wuchtiger weißer Tolle trat zu unserer Gruppe. Die weißen Haare loderten so prächtig um das Gesicht herum, dass ich kurzfristig dachte, die Lövenichs hätten also auch Gottvater eingeladen. Der weißhaarige Riese sprach mit Marvies Stimme, genau so rau, nur zehn Oktaven tiefer, und ich wusste, wer da vor mir stand: Der große, fabelhafte Vater Lövenich in Person! Der Wunderknabe! Sozusagen mein baldiger Schwiegervater! Wahrlich, ich hätte es schlechter treffen können! Ein markanter Mann mit markanter Stimme, ein Sieger, ein Weltenlenker. Nun musste ich mich nur noch beherzt bei ihm einschleimen, dann würde das mit dem Eheschluss schon klargehen! Eilig durchforstete ich die Liste meiner möglichen Referenzen: Marvie würde niemals – niemals! bei mir Hunger leiden, denn immerhin kannte ich die besten Container der Stadt! »Da staunst du, was? Schwiegerpaps?«, dachte ich und sagte: »Ich beglückwünsche Sie zu ihrer wissensdurstigen Kinderschar! Was die alles so durcheinanderstudieren! Und wie anmutig!« Herr Lövenich sah mich an, besser gesagt: Er nahm Maß. Sein Blick war eine offizielle Musterung mit drei Durchschlägen. Dabei fiel mir auf, dass er nicht die schönen braunen Eichhörnchenaugen seiner Kinder hatte, sondern zwei blaue Zapfen. Ich zuckte ein wenig zusammen vor diesen blauen, irgendwie kalten Zapfen. Vielleicht war er nicht der leibliche Vater? Hatte er sich seine Kinder gekauft? Für teuer Geld auf dem Schwarzmarkt?
»Ich nehm′ vier von den Braunäugigen da!« Nein, dieser blaublickende Hüne würde mich nicht so ohne Weiteres in seine Familie aufnehmen. Da müsste ich schon irgendwelche Husarenstückchen vollbringen, bevor DER mir das DU anbot. Ich verstummte unter seinem intensiven Blick. Cromwell schien weniger beeindruckt, und nun begannen die beiden, sich über Berufe aller Art zu unterhalten. Herr Lövenich schäkerte souverän hin und her, aber sein Blick ging mir nicht aus den Knochen, während es Cromwell offenbar gelang, bei dem Alten zu punkten: Mein baldiger Schwiegervater lachte jetzt sogar dröhnend über irgendein cromwellsches Wortspiel – für meine Begriffe viel zu laut und etwas ZU dröhnend. Und langsam beschlich mich die unschöne Vermutung, dass ich meinen baldigen Schwiegervater nicht leiden mochte. Denn obwohl er seine Gesprächspartner freundlich betrachtete, steckte in diesem Blick eine Riesenportion Distanz, eine Anstaltspackung Abweisung, ja, sogar etwas Verschlagen-Lauerndes. Nein, mit diesem Mann war nicht nicht gut Kirschen essen, mit dem

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