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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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erkennungsdienstlichen Behandlung, sondern im Gegenteil: Die Flossen manikürt wie ein Mädchen! Meines schwammigen Erachtens konnte es sich hier nur um einen Fall von Geschwindigkeitsüberschreitung (auf dem Weg zur Maniküre) oder leichter Beamtenbeleidigung (»Lassen Sie mich durch, Sie Arsch, ich muss zur Maniküre!«) handeln. Ich begann
erneut zu kichern beziehungsweise zu meckern wie eine verdammte Ziege und starrte dann gebannt auf Paps, in Erwartung seiner angemessenen Erwiderung beziehungsweise hoffte ich, er würde jetzt ganz lässig den Wurstmann krankenhausreif schlagen. Doch Paps strich sich durch die Diplomatentolle, lächelte vereist und sagte gemächlich: »Und Sie müssen das Bürschchen sein, dem meine Tochter den Laufpass gegeben hat.« Respektvoll dachte ich: Wer hat, der hat! Der Wurstmann blähte sich um den Thorax herum auf und bleckte in den Raum: »Ja, aber trotzdem fehlen mir noch ein paar Details. Sie hat mir nicht alles erzählt. Vielleicht könnten Sie einige meiner Wissenslücken schließen? Und ich spreche jetzt noch nicht mal nur von Ihren geheimen Finanzgeschichten. Ich will in meinem nächsten Stück auch unbedingt Ihre schmuddeligen Familieninterna ansprechen. Das Publikum liebt die kleinen dreckigen Geschichten von echten Menschen.« Ich traute mich gar nicht, den Wurstmann anzuschauen. Trotz meines ängstlich gesenkten Blickes nahm ich Bewegungen aller Art um mich herum wahr. Sämtliche Lövenichs schienen auf einen Schlag laut einzuatmen und Spiel- und Standbein zu wechseln, die verstummte Alexa hielt sich an einer Champagnerflasche fest, und alle Welt schien auf den Urknall zu warten. Dann vernahm ich die ruhige Stimme von Schwiegerpaps: »Aber sicher. Lassen Sie uns ein wenig plaudern. Aber nicht in dieser Unruhe. Kommen Sie.« Und Paps wies lächelnd mit der Hand in Richtung Foyer; er ging voran, der Wurstmann folgte, ein triumphierendes Grinsen auf der sardonischen Fratze. Was denn nun:
Showdown im Hinterzimmer? Duell im Vorgärtchen? Am liebsten wäre ich hinterhergelaufen. Zeuge sein, wenn Paps mit ein paar gezielten Streichen den Germknödel zerlegte. Aber flink hatte Alexa mich wieder in ihre Gewalt gebracht. Unter den Zurückgebliebenen setzte Aktionismus ein. Laura erteilte Ritchie kleine Aufträge, die er mit angstgeweiteten Augen ausführte. Katharina wies Marvie an, sich um ihre Gäste von der Schauspielschule zu kümmern, die von Minute zu Minute lauter und raumgreifender das Parkett dominierten und ihre Jugend/Kreativität/ Talente in den Raum plärrten. Verunsichert stand inmitten des jugendlichen Gewoges die dumme Kuh Ellen, auf deren Ticket der Wurstmann eingereist war. Cromwell bekam seinen voyeuristischen Blick und bahnte ein Gespräch mit ihr an, sekundiert von Co-Voyeur Mendelssohn. Auch hier wäre ich zu gerne dabei gewesen, aber man kann sich ja leider nicht aus Neugierde zerreißen. Aber auf den Mond fliegen – das können sie!
     
    C romwell beherrscht eine perfide Verhörtechnik, die dem Informanten wider Willen unschuldigen Smalltalk suggeriert, obwohl es sich längst schon um das dreht, was wir Kriminalisten »Auspacken« nennen. Und so hörte ich leider nur mit einem halben Ohr die von Cromwell meisterhaft abgezapfte Lebensbeichte des Mädchens Ellen. Immerhin wurde mir so viel klar: Sie hatte das Zeug dazu, bis ans Ende ihres Lebens die »Naive« zu geben. Es schien ihr auch keinerlei Probleme zu bereiten, die Nachfolgerin von Marvie zu sein UND Gast in ihrem Hause. Überhaupt:
Was mein halbes Ohr so zwischen Tür und Angel – also zwischen der Naiven und Alexa – aufnahm, ließ mich schwerst erröten. Denn während Alexa händeringend die Existenz von Vernichtungslagern bedauerte, startete die Naive einen detailverliebten Exkurs zum Thema »Sexualität heute«. Es ging tatsächlich um Orgasmus, Masturbation und ähnliche verbale Scheußlichkeiten. Ich befand mich also unversehens in einer pikanten Konversationskneifzange; breit, hackedicht und verloren zwischen der versauten Naiven und der korrekten Alexa, also quasi zwischen Koitus und Stacheldraht. Mir wurde übel. »Schlomo, ist Ihnen nicht gut?« Alexas Gesicht geisterte vor dem meinen auf und ab. Besorgt, soweit ich das erkennen konnte. Katharina und Laura standen weit weg, flüsterten einander Sachen ins Ohr und stiegen über die mit Schauspieleleven besetzte Treppe in den ersten Stock. Ritchie folgte. Meine Marvie blinkte rot durch das Volk, dann kletterte auch sie über ihre

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