Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
von der anderen Seite gab mir Marvie Feuerschutz, und erneut ging meine Psyche vor seinem Blick in die Knie. Cromwell wisperte mir etwas zu; es klang wie »Na, alles okay?«, konnte aber ebenso gut wie »Mann, siehst du scheiße aus« oder »Dieses Schreiben wurde automatisch generiert« lauten. Schwiegerpaps nahm mich nun zum zweiten Mal an diesem Abend optisch in die Mangel, und ich bedauerte, mein Feiertagsjackett auf den Boden geworfen zu haben. Gleichzeitig drückte mir Marvie ein Tellerchen in die Hand und parkte ihre Hand auf meiner Rückwand. Dann erklärte sie ihrem Vater: »Und dies hier ist unser lieber Halbnachbar. Er hat den schönen Spitznamen Schlomo.« Schwiegerpaps hisste seine riesigen Augenbrauen: »Schlomo?«, wiederholte er kernig. Mannomann. Warum hatte ich ausgerechnet diesen Spitznamen. Und nicht etwas Schnittiges. Zum Beispiel
»Django«. Oder »Dschimmi«. Oder meinetwegen »Aal-Dieter«. »Schlomo« bestätigte ich heiser und blickte stumm in unsrem kleinen Kreis herum. Dabei fiel mir auf, dass Schwiegerpaps nicht alleine in der Gegend herumstand; während er mich mit seinen Blicken liquidierte, hing an seinem rechten Arm eine Frau. Sie muss schon eine ganze Weile dort gehangen haben, denn ihrem Gesichtsausdruck nach wirkte sie ein wenig gelangweilt, und erst die Nennung meines Spitznamens schien sie zu frischem Leben zu erwecken: »Schlomo!«, stieß sie mit Verve aus und betrachtete mich, als würde mein Anblick sie rühren. Vielleicht bekam sie sogar feuchte Augen. »Je nun«, hub ich an und nagelte in meinem Gehirn den Ansatz einer Entschuldigung zusammen, denn ich hatte plötzlich das Bedürfnis, mich für Allerlei zu entschuldigen: für meine Kleidung, meinen Namen und meine Existenz. Die Frau an Schwiegerpaps′ Arm ließ mich gar nicht zu Wort kommen, sondern versicherte mir unverzüglich, ich sei der erste Schlomo, den sie in ihrem Leben kennen lernen dürfe. Hilfesuchend drehte ich mich zu Marvie, die uns einander vorstellte: »Alexa, eine Freundin meines Vaters.« Das Wort »Freundin« holperte und hinkte so laut durch den Raum, dass es nach Eindeutigkeit und Erklärung schrie. War Alexa nun eine Freundin von Gottvater oder eine Freundin? Oder seine beste Freundin oder eine entfernte Geliebte? Auf jeden Fall hing sie an ihm herum, als würde sie das öfter tun. Auch sparte sie nicht an bewundernd-begeisterten Blicken zu ihm hinauf. Aber vielleicht sah sie ja auch IMMER so aus, da sie ja auch mich Schlomo dergestalt
anhimmelte? Vielleicht war sie ja das Opfer einer missglückten Schönheitsoperation, und beim Liften hatte ihr der Chirurg aus Versehen das Modell »Bewunderung« draufgenäht? Ich musste kichern. Und merkte sofort Cromwells Ellenbogen in meinen Rippen. Offenbar war mein Kichern zu laut geraten. Vielleicht hatte ich ja auch weniger gekichert als vielmehr gemeckert wie eine alte Ziege. Vielleicht wirkte ich im Augenblick ein bisschen irr auf alle, die nichts gegen die Reisekrankheit eingeworfen hatten? UND: Vielleicht hielt sich meine Marvie ja gar nicht in sympathisch-symbiotischer Absicht an meinen Körper, sondern ich missdeutete lediglich einige unabsichtliche Berührungen? Ich Hanswurst wähnte mich hier im Zustand der vor-kopulativen Extase, und in Wirklichkeit schrubbte sich Marvie bloß von ungefähr und aus Daffke an meiner Rinde? Vielleicht wartete sie ja nur auf das endliche Erscheinen des Wurstmannes und rieb sich derweil halt am Nächstbesten warm? Nein, ich musste sofort um Aufklärung bitten! Ich entwand mich dem virtuellen Würgegriff von Alexa und Schwiegerpaps, nahm meinen Mut zusammen und zog Marvie beiseite. Sie folgte mir. Wir blieben im Foyer stehen, aber auch hier war es so knüppelvoll, dass ich Marvie weiter zog und weiter zog, und schließlich landeten wir in der Küche. Hurtige Bedienstete drapierten Platten, zogen Bräter aus dem Ofen, ließen Korken knallen und füllten Gläser. Marvie und ich standen in einer Küchenecke und machten uns dünn. Das heißt: ICH machte mich dünn und versuchte zeitgleich, möglichst tief und ernsthaft in Marvies Knopfaugen zu
schauen. Und mit der Inbrunst eines alten Theaterlöwen bei seinem letzten Vorhang deklamierte ich: »Marvie!«
    »Ja?« Sie trat einen Schritt auf mich zu, um hinter uns einen Burschen mit Tablett durchzulassen. Wir standen nun also Aug in Auge, Kühlerhaube an Kühlerhaube und Spitz auf Knopf. Und dann rasselte es aus mir heraus, ohne Rücksicht auf die um uns herum wirbelnden

Weitere Kostenlose Bücher