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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Patenkind, nicht wahr! Und ich liebe sie so innig, wie man sein Patenkind nur lieben kann! Sie ist ja auch wirklich extrem süß! War sie schon
als Baby! Ritchie dagegen. Sah als Kind aus wie so ein Bauklotz. Aber Marvie – eigentlich fehlten ihr nur noch die Flügel, so engelhaft war sie! Also, Schlomo: Jeder wird einmal erwachsen. Auch ein Engel muss erwachsen werden. Auch ein Engel kommt mit der Wahrheit des Lebens in Berührung, mit dem alltäglichen Dreck und Schmutz. Und so bleibt es nicht aus, dass jeder Engel auch ein wenig Schmutz an seinen Flügeln hat, du verstehst?«
    »Hm. Nicht ganz.«
    »Naja, der eine Engel mehr, der andere Engel weniger. Schmutz, meine ich.«
    »Hm. Sollte ich was wissen?«
    »Das solltest du unbedingt. Jeder Mensch sollte was wissen. Vor allem natürlich, wenn er liebt. Dann sollte er besonders dringend was wissen. Nicht wahr! Damit er sich nicht kopflos in etwas verrennt. Denn gerade der Liebende ist doch so – verletzlich. Und so leicht zu täuschen.«
    Im Zentrum des Saales war wohl gerade glaubhaft die schmutzige Wahrheit über fremdgehende Würste vermittelt worden, denn Cromwells Gesprächspartnerin stieß einen Laut aus und bahnte sich erwartungsgemäß den Weg zum Ausgang. Stoppte aber vorher ab und rannte dann gar nicht erwartungsgemäß die Treppe empor. Wenn sie jetzt im Zustand enthemmter Eifersucht alle Türen aufriss, um ihrem dicken Freund in flagranti einmal zu zeigen, was man an einer Schauspielschule so alles lernt – doch ebenso schnell stob sie die Treppe wieder herunter, hinter ihr Katharina, deren gespieltes Bedauern derart bedauernd war, dass man es ihr über zwanzig Meter Entfernung
noch abnahm. Somit waren wir immerhin die Wurstgeliebte los. Eine Last weniger.
    Mein Wattekopf hatte den Überblick über das Fortschreiten der Zeit verloren, draußen schien es zu dunkeln. Der Regen hatte nachgelassen und ein Jemand die Gartenfackeln entzündet. Lieblich gelbe Lichtkleckse lockten Gäste nach draußen, im Wohnzimmer wurde es etwas ruhiger und ich folgte sorgfältig jedem Wort, das der Natter Alexa über die unversiegelten Lippen kam:
    »Ich habe selten Geschwister erlebt, die so zusammenhalten. Sie sind ja richtiggehend zusammengeschweißt! Das ist aber auch zu verstehen, wenn man ihre Geschichte kennt. Erstens dieser Altersunterschied. Zweitens die fehlende Mutter. Da ist es doch logisch, dass die Großen die Kleinen in ihre Obhut nehmen und sich um ihre Erziehung kümmern.«
    Ich merkte an, dass mir gerade die Verschweißtheit der Geschwister imponiere, diese Vertrauensbasis ohne Wenn und Aber – es sei ja zum Neidischwerden. Alexa schien mein Lob der Lövenichs nicht zu teilen, denn sie kniff die Augen zusammen und goss sich Champagner nach, mit einer paradox abwehrenden Geste, als sei sie von der Flasche angeekelt: »Sicher, sicher. Aber du siehst nicht die Schattenseite. Natürlich wirkt diese Verbindung von außen so rein und schön. Aber manchmal haben so blank polierte Oberflächen auch ihre – Auswüchse.«
    Ich versuchte vergeblich, mir die Auswüchse einer Oberfläche vorzustellen. Alexa verstummte, riss vielsagend die Augen auf, und ich bemerkte, dass Katharina hinter mir
stand. Sie legte die Hand auf meine Schulter und fragte leichthin: »Na, amüsiert ihr euch?« Dann beugte sie sich zu mir runter: »Die Kleine ist eben gegangen.« Sie schaltete wieder in den Gastgebermodus: »Na, dann will ich mal draußen nach dem Rechten sehen.« Alexa sah ihr nach, trank ausgiebig und blieb stumm. »Auswüchse?«, half ich ihr auf die Sprünge. »Schattenseiten, die ich nicht sehe?«
    »Ich kann dir nicht mehr sagen, Schlomo. Ich habe schließlich auch eine Verpflichtung. Und egal, was die Kinder treiben – ich stehe zu ihnen.« Mit fahriger Entschlossenheit führte sie das Glas zum Munde. Haltstopp! Mich erst anfüttern und dann kneifen? Alexa konnte doch jetzt nicht so einfach versiegen! Auch war ihrem vielsagenden Blick anzumerken, dass sie nur zu gerne endlich von der zart-schmierigen Andeutung zum hart-schmutzigen Faktum übergehen würde; sie wartete nur auf einen Startschuss, eine Absolution, eine Entbindung von der Schweigepflicht. Die bot ich ihr an: »Alexa, du bist die Einzige, die mir helfen kann«, raunte ich. »Diese Familie hat mich quasi mit Haut und Haaren verschlungen, aber –«, hier hob ich verzweifelt die Stimme, » – aber ich komme gar nicht richtig an sie ran! Sie bleiben mir ein Rätsel! Kannst du mir nicht helfen, das

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