Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
um: »Wir gehen am besten einzeln. Das ist unauffälliger.« Und tröpfchenweise mischten wir uns wieder unter die Gäste.
Kapitel 11
bietet skandalöse Enthüllungen
der lövenichschen Familienpraktiken,
noch mehr Gewissensbisse
und einen Todgeweihten in Warteschleife.
D ie folgende Passage verbrachte ich weniger damit, eine Lösung für unser Problem im Boudoir zu finden oder mit Sorgen um unser aller Zukunft in Frieden, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, sondern mit dem Sortieren meiner wattierten Gedankengänge. Alexa hatte mich wieder aufgegriffen und uns beide auf ein schmales Sitzelement genötigt, aber ich konnte nur mit einem halben Ohr ihrem Schnellkurs in Rassegesetzgebung folgen, denn eigentlich interessierte mich nur eines: Was hatte Paps Lövenich auf dem Kerbholz und welche schmutzigen Geheimnisse verbarg meine künftige Familie? Man muss doch wissen, in welchen Saustall man einheiratet! Auf welches moralische Niveau man sich hinunterzubegeben hat! Einer pharmakologischen Eingebung folgend fragte ich einfach Alexa, was es denn mit Paps′ Freigang auf sich hätte. Alexa sattelte thematisch sofort um und versicherte mir, dass es sich bei Paps Lövenich um einen Gentleman handle, einen sehr feinen Mann, der nur quasi aus Versehen und dummem Zufall im Gefängnis gelandet sei, aber er sei nun mal ein Kenner der finanziellen Welt, die Geschäftemacherei
sei seine Westentasche, und es wären eigentlich auch nur Menschen zu Schaden gekommen, die diesen Schaden verdient hätten und heutzutage gäbe es wirklich Verwerflicheres als betrügerischen Bankrott.
»Bankrott?«, fragte ich und nahm vom dargereichten Champagner nach. »Bankrott sieht mir das hier aber nicht aus.«
Alexa grinste: »Die Betonung liegt ja auch auf ›betrügerisch‹.« Sie sah sich rückversichernd um, rückte mir noch etwas näher auf den Pelz als physikalisch möglich, und nach zehn Minuten wusste ich Bescheid: Paps saß als zäher Wiederholungstäter ein, aber die illegal geschürfte Kohle hatte er so geschickt verschleiert und angelegt, dass seine Kinder bis ans Lebensende ausgesorgt hätten. Allerdings habe der alte Scherzkeks Lövenich eine launige Klausel in seine obskure Stiftung eingebracht: Jedes seiner Kinder sollte rundum versorgt sein, solange es sich in der Ausbildung befinde.
»Und? Na? Schwant Ihnen jetzt etwas, Schlomo?«
Mein Wattekopf pulsierte vor scharfem Nachdenken: DAS also war der Grund, warum es die lövenichsche Brut auf so viele Lehr- und Studiengänge mit und ohne Abschluss brachte! Darum wurde sich in diesem Haushalt in einem fort ex- und immatrikuliert, hier eingeschrieben und dort angemeldet – das hatte Paps Lövenich ja genial eingefädelt! Was für ein Mann! Nicht nur ein großer Betrüger, sondern auch ein begnadeter Pädagoge!
So hatte er es geschafft, dass seine Kinder nicht zu der üblichen Bagage sinnlos saturierter Erben zählten, zu diesem
verwöhnt-verwahrlosten Kroppzeug, das nach jeder halbwegs ordentlichen Revolution im Arbeitslager landen sollte, sondern dass es sich bei ihnen um redliche, gebildete Bürger von hoher Kultur und bestem Leumund handelte, wenn man mal von der Leiche im Wäschezimmer absah.
»Aber das bleibt unter uns, gell, Schlomo?« Zutraulich rieb Alexa ihren Kopf an meinem Kragen. Sie habe ja sofort bemerkt, dass es sich bei mir um einen guten und loyalen Freund des Hauses Lövenich handele, und selbstverständlich könne sie, Alexa, auch meine Neigung zu der kleinen Marvie verstehen, denn die sei nun mal der Inbegriff dessen, worauf Männer abfahren würden, dieses Kleinmädchenartige, aber ich solle mich nicht täuschen, solch ein kleines Mädchen sei Marvie längst nicht mehr, sicher, sie sei wirklich attraktiv, und wunderschön sei sie auch, aber ganz so unschuldig, wie sie auf Männer wirke, sei sie nun doch nicht! Und Alexa rückte noch dichter auf und nickte mir bedeutungsvoll ins Ohr. Haltstopp! Wo ging sie denn jetzt plötzlich hin, die Reise? Über Stock und Stein ins Land der üblen Nachrede? Dann aber mal ran an den Speck! Gibt es etwas Ergiebigeres als eine einschmeichelnde Insiderin mit einem Wert von etwa 1,5 auf der nach oben offenen Champagnerskala? Jetzt aber die Karten auf den Tisch, Alexa! Lassen wir den Herrn Himmler einen guten Mann sein beziehungsweise soll er doch in der Hölle meckern, zusammen mit Göring, Goebbels und Stefan Raab! Und jetzt erzähl mir, Njanjuschka!
Meine Njanjuschka sah mich aus hinterhältigen Äugelein
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