Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Das wäre ja noch schöner.«
»Nun gut«, sagte Mendelssohn und stieß eine Art Pfiff aus. »Dann bin ich mal gespannt, was die Lövenichs jetzt noch so vorhaben.« Ich erhob mich und dann fiel mir siedend heiß ein: »Verdammt, ich hab ihn eben am Hals berührt! Kann man da meine Fingerabdrücke feststellen? Können die so was heutzutage nachweisen – Fingerabdrücke auf Haut?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht nivelliert sich das. Zum Beispiel wenn sich zwei die Hand geben: Hinterlässt das bei jedem die Fingerabdrücke des anderen? Aber wo du′s sagst: Was ist mit unseren Fußabdrücken? Und den Türklinken? Und Fasern aus der Kleidung? Wenn die den ganzen Raum mit ihrem DNA-Dingsbums unter die Lupe nehmen – wir müssen doch Spuren hinterlassen haben wie eine Horde Büffel! Die können bestimmt ganz genau nachvollziehen, wer alles hier war! Und sie werden fragen, was wir hier gemacht haben! Und was dann?«
Es fühlte sich an wie zuziehende Schlinge.
Kriegsrat! Wir brauchten jetzt dringend einen Kriegsrat! Oder eine Forsa-Umfrage! Außerdem musste ich mir sofort die Hände waschen oder ein Vollbad nehmen. Obwohl doch nur zwei Finger mit dieser pappkalten Materie in Berührung gekommen waren, durchfuhr mich ein Ganzkörpergrusel. Ich sah noch einmal auf die Stelle, auf die ich meine Finger gelegt hatte, und wunderte mich darüber, dass ich offenbar Eindruckstellen hinterlassen hatte. Außerdem lagen diese Eindruckstellen etwas unterhalb der von mir berührten Punkte. Angewidert und mit spitzen Fingern zupfte ich an dem schwarzen Rollkragen der Wurst, hob den Stoff an und schaute darunter.
»Nee!«
»Was ist? Was ist?«
»Da sind Flecken am Hals! Da hat jemand seine Finger reingedrückt!«
»Was?«
»Jemand hat ihn erwürgt! Er ist nicht nur verblutet – da
hat noch jemand nachgeholfen! Verdammt! Jetzt sind wir richtig am Arsch!«
Mendelssohn begann zu fluchen: »Diese Idioten! Wie kann man nur… jetzt nimmt ihnen doch kein Forensiker der Welt mehr irgendwas ab!«
»Und am Ende bin ich es noch gewesen! Ich hatte doch als Letzter meine Hände dran!«
Mein Organismus schien sämtliche Toxine auf einmal freizusetzen. Die Situation in all ihrer Vertracktheit lag vor mir wie ein vernebelter Grundriss: Hier ein Zimmer mit einer Leiche, da unten die Lövenichs am Feiern, und ich bald in einer Zelle. Und Marvie als Motiv würde ausreichen! Verbrechen aus Leidenschaft wird doch gerne genommen! Zu Hilfe! Andererseits hatte ich fast durchgehend ein Alibi! Aber was für ein vertrauenswürdiges Bild würde eine angesoffene Alexa im Zeugenstand abgeben? ›Klar habe ich mich mit einem gewissen Schmul unterhalten. Ich weiß nur nicht, wann und wo.‹
»Mendelssohn, du kannst doch bezeugen, dass ich ihn nicht gewürgt habe, gell?« Mein einziger Augenzeuge klopfte mit dem Blindenstock auf: »Natürlich! Das hätte ich aber gehört!«
»Und wenn sie uns fragen, was wir beide hier noch zu suchen hatten?«
»Einem Sterbenden Beistand leisten. Ob das gilt? Ist doch eigentlich eine ehrenwerte Sache!«
»Aber nicht, wenn man das Sterben noch hätte verhindern können! Einfach nur müßig die Letzte Ölung geben – damit ist man doch nicht aus dem Schneider!«
Wir traten den Rückzug an und verhörten Ritchie: »Weißt du, dass er tot ist?«
»Nein! Echt?«
»Wer war als Letzter bei ihm?«
»Na, ihr!«
»Nein, vor uns!«
»Niemand!«
»Ritchie, lüg uns nicht an! Wer war vor uns im Zimmer!«
»Ich schwöre es: Niemand!«
»Und du warst die ganze Zeit über hier?«
»Aber ja doch!«
»Du bist auch nicht mal kurz weggegangen?«
»Doch. Einmal war ich auf Klo. Aber nur ganz kurz! Ich schwör′s!«
»Gut!«, sagte Mendelssohn. »Das war′s.«
Ich ging mir die Hände waschen. Ritchie blieb wie versteinert auf seinem Aufpasserstuhl sitzen, Mendelssohn und ich kletterten wieder zurück auf die Party.
K ein Schauspielschüler weit und breit, das gesamte junge Volk war verschwunden, nur einige ältere Reste hingen noch leise labernd an ihren Gläsern. Laura stand mit Paps zusammen. Alexa war auf ihrem Sitzelement eingenickt. Marvie war wohl noch immer oben. Augenblick mal! Oben? Vielleicht hinter der Türe gewartet, bis Ritchie ins Bad ging? Dann hurtig den treulosen Galan abgemurkst und wieder zurück ins unschuldige Mädchenzimmer?
Katharina kam auf mich zu: »Schlomo? Hast du eine Minute?«
»Ja, sicher. Wo sind sie denn alle hin?«
»Weitergezogen. So ist das heute. Das nächste Event ruft
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