Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
der Wiedererkennung. So eine auffällige Weste würde sich doch jeder Taxifahrer merken.«
Laura versuchte, den Dicken anzuheben.
»Weiß jemand, ab wann die Totenstarre einsetzt?«
»Keine Ahnung. So nach zwei Stunden vielleicht?«
»Später geht sie jedenfalls wieder weg.«
»Laut Forensik ist die Leiche erst weich, dann ein paar Stunden starr und dann wieder weich.«
»Wieso?«
»Frag mich was anderes!«
Katharina und Laura knöpften die Weste auf. »Könnte mal jemand seinen Kopf hochhalten? Damit wir besser an die Weste kommen?«
Schwiegerpaps streifte sich Handschuhe über und begab sich an das Kopfende des Dichters. Das Blut war geronnen, und Paps legte beide Hände unter das verkrustete Haupt.
»Eins, zwei drei!«
Auf Drei richteten sie den Oberkörper auf. Trotz der fortgeschrittenen Zeit war der Dichter noch immer gelenkig genug. Paps hielt den Kopf hoch, so dass es aussah, als sei der Dichter zwar erheblich ballaballa, aber noch am Leben.
»Er ist sogar post mortem keine Schönheit.«
Cromwell warf mir einen Blick zu. Mendelssohn kicherte: »De mortuis nil nisi bene.«
»Na gut. Dann sagen wir es mal so: Der Tod veränderte kaum sein Antlitz.«
»Ruhe, verdammt!«
Katharina und Laura wühlten die Wurst aus der Weste. Sie wies keine Flecken auf. Laura übergab sie an Marvie:
»Und jetzt such dir schwarze Klamotten und was zum Auspolstern.«
Der Dichter wurde wieder zurückgelehnt und Paps rollte ihn in den Teppich ein. Wir übrigen verfolgten die Verpackung mit besinnlicher Miene. Man hätte eventuell etwas getragene Musik spielen sollen. Aber selbst mir fiel kein Stück ein, das der Wurst gerecht geworden wäre. Vielleicht der Radetzky-Marsch? »Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse«? Und jetzt singen wir alle den schönen Choral: »Oh du schöner Westerwald«? Die Mädchen gingen in Marvies Zimmer, Schranktüren klappten, es folgte ein beratendes Modegespräch: »Nein, das ist nicht dick genug. Nimm noch das kleine Kissen dazu.«
»Hier, das ist die weiteste Hose, die ich habe.«
»Ski-Unterhosen tragen doch gut auf.«
»Genau, mehrere Ski-Unterhosen müssten′s bringen.«
Paps wandte sich an uns: »Und wir gehen jetzt in den Keller. Den Boden sondieren. Ich denke, Schlomos Idee ist die beste. Zement ist leicht zu beschaffen. Und luftdicht und geruchsbindend. Falls hier jemals Ermittler auftauchen sollten. Was ich allerdings bezweifle. Wenn Marvie ihre Sache gut macht… Theoderich?«
»Ja, Papa?«
»Kümmer dich um Alexa. Wenn sie wach wird, halt sie von Küche und Keller fern. Und ruf mich.«
»Ja, Papa.«
Wir stiegen in den Keller. Der erste Raum war vollgestellt mit Lauras halbrenovierten Möbeln. Der zweite Raum war eine Waschküche mit Waschmaschine und
Trockner, einem alten Hasenkäfig und einer brummenden Heizungsmaschinerie. Cromwell und Mendelssohn blieben in der Tür stehen, Paps und ich schritten den Grund ab. Wir schoben Wäschekörbe zur Seite, Paps zwinkerte mir zu, ich setzte mich auf die freigewordene Fläche, machte mich lang, schloss die Augen und faltete die Hände über dem Bauch: »Passt perfekt.«
Cromwell erklärte Mendelssohn: »Schlomo liegt Probe. Länge und Breite stimmen.«
Ich: »Dass die Breite angeblich stimmen soll, das verbitt′ ich mir!«
Cromwell: »Okay, die Länge haut etwa hin. Nur in der Tiefe wird man etwas zugeben müssen.«
Mendelssohn: »Wie kriegt ihr den Fußboden auf? Ist das nicht Beton?«
Ich: »Wir müssen ihn gar nicht aufbohren. Wir legen einfach den Dicken auf den Boden, umzäunen ihn mit Brettern und gießen ihn ein. Und sobald er ausgehärtet ist, stellen wir Trockner und Waschmaschine auf das Podest.«
Mendelssohn: »Das wird aber ein unproportional hohes Podest.«
Ich: »Man könnte es ja noch verzieren. Zum Beispiel Muscheln oder Seesterne in die Vorderseite drücken. Oder irgendwas, das thematisch zu ›Waschküche‹ passt.«
Mendelssohn: »Ein eingelaufenes T-Shirt?«
Wir lachten kernig. Es machte Spaß, an etwas so Wichtigem wie einer Leichenentsorgung teilnehmen zu dürfen. Ein ungeheuer cooler Vorgang: Wir Verschwörer ließen uns auch von einem draufgegangenen Kulturträger
nicht aus der kaltblütigen Ruhe bringen. Gestatten: Bond. Schlomo Bond. Ich geh da jetzt rein. Und übermorgen kaufe ich mir Stiefeletten. Im Kroko-Look. Ja, wir sind durch die Bank hartgesottene Draufgänger: der Knacki Paps, der lässige Moralapostel Mendelssohn, unser Kollateral-Cromwell. Und allen voran ich, der
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