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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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doch nur zu denen, die unsere Welt verderben! Denk doch mal an all diese asozialen Typen, die uns das Leben regelmäßig zur Hölle machen! Menschen, die uns auf der Straße anrempeln und anpöbeln! Menschen, die uns an der Supermarktkasse betrügen! Menschen, die nachts laut Musik hören! Brüder, wünschen wir alle uns nicht, dass es weniger davon auf der Welt gäbe? Weniger Großmäuler, weniger Raubmörder, weniger Rassisten? Weniger Kinderschänder, weniger Studienräte, weniger Volksmusikanten? Und weniger Hersteller, die verweste Socken und alte Schweinenasen in unsere Lebensmittel rühren? Wie schön könnte unsere Welt ohne sie sein! Und daher finde ich: Wir sollten ihn begraben und vergessen! Beziehungsweise: verschalen – und gut is′! Denn das ist niemand, den wir betrauern müssten. Mehr noch: Wenn wir ihn obduzieren würden, was würden wir an der Stelle finden, wo andere ein Herz haben? Etwa ein Herz? Nein, Brüder! Eher einen Klumpen Roastbeef! Oder eine Giftpumpe!« Es fehlte eigentlich nur noch, dass ich die Anwesenden dazu aufforderte, sich sofort auf die Suche nach weiteren sterbenswürdigen Existenzen zu begeben, auf dass wir die zivilisierte Welt reinigten für alle Menschen guten Willens! Herrgott, wie dicht liegen doch manchmal Humanismus und Psychopathologie beisammen!

    Ich konnte die positive Wirkung meines Manifestes nicht lange genießen, denn die Mädchen kamen in die Küche. Beziehungsweise: zwei Mädchen und ein schwarzer Rollmops. Sie hatten Marvie umpolstert oder ausgeschäumt, so dass sie auf ihre doppelte ursprüngliche Breite gebläht war. Schwarze Hosen, schwarze Schuhe, die furchtbare Brokatweste. Der ins Gesicht gezogene Hut ließ eine Mundpartie frei; zwischen zwei hamsterartig nach unten beulenden Wangen ein schmaler Marviemund, aber die herausblinzelnde Haut verschattet und verdunkelt von einem verblüffend echt wirkenden Dreitagebart. Laura und Katharina drehten Marvie voller Stolz: »Na, was sagt ihr?«
    »Jesus Christus!«
    »Ein Untoter!«
    »Kinder, ihr habt euch selbst übertroffen!«
    Cromwell beschrieb Mendelssohn den wurstlichen Wiedergänger. Marvie hielt den behüteten Kopf gesenkt; wenn man nicht zu genau hinsah, passte alles vortrefflich. Ritchie betrat die Küche, zuckte zurück und sah einmal mehr an diesem Abend aus, als wolle er weinen. Ich fragte mich allmählich, wie ein Knabe von seinen schlechten Nerven an den heißen innerfamiliären Sinnestaumeleien teilnehmen konnte. Oder ob er den anderen nur die Erfrischungstüchlein reichte?
    »Ganz ruhig!«, sagte Katharina. »Das ist doch bloß unser Dummy!«
    Ritchie fing sich wieder: »Paps, Alexa ist aufgewacht!«
    »Das ist gut«, sagte Paps. »Marvie, setz dich an den Tisch! Sag kein Wort! Und ihr anderen: Ihr unterhaltet euch jetzt
mit dem Dicken! Wenn Alexa ihn erkannt hat, bringe ich sie wieder nach draußen. Damit haben wir eine Zeugin zusätzlich!«
    Spitze Absätze näherten sich, unregelmäßig klickend. Als Alexa eintrat, machten wir papierne Konversation mit der schweigenden Wurstmarvie:
    »He, Glückwunsch zum Dramatikerpreis!«
    »Du musst uns unbedingt mehr davon erzählen!«
    »Es ist eine Ehre, eine Berühmtheit wie dich in unserer Mitte zu haben!«
    Alexa stierte uns an. »Alexa, Liebes, feier′ noch ein bisschen mit uns! Der große Dichter erzählt gerade so interessant aus seinem – Leben!«
    Alexas Blick blieb an mir hängen: »Ich wollte doch noch… jemand hat uns unterbrochen. Kommst du, Schlehmil?«
    »Schlomo.«
    »Genau. Wo waren wir stehen geblieben?«
    Paps führte Alexa zurück ins Wohnzimmer: »Schlomo ist gerade beschäftigt. Wollen wir noch zusammen ein Gläschen trinken? Ein letztes? Es ist ja schon VIER UHR! Oder irre ich mich? Ist es wirklich schon VIER? Marvie, Liebes, ruf deinem Freund doch ein Taxi! Er sieht so müde aus! Alexa, du erinnerst dich an Marvies neuen Freund? Dieser nette schwarzgekleidete Schriftsteller?«
    Die beiden verschwanden. Mendelssohn kicherte: »Das nennt man ›wasserdicht‹!«
    »Und jetzt?«
    Katharina machte sich Notizen, wie bei einem Einkaufszettel:
»Jetzt fährt Marvie mit dem Taxi zum Dicken. Du musst nicht sprechen. Du musst nur hinten sitzen und einen betrunkenen Eindruck machen. Wir geben dem Taxifahrer vorher das Geld und die Adresse. Du steigst aus und gehst ins Haus. Besser: Du wankst ins Haus. Geh möglichst laut in seine Wohnung. Mach dort Krach. Lass Sachen fallen. Zerwühl sein Bett und so. Nimm die Einweghandschuhe mit. Am

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