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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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besten, du betätigst auch mal seine Klospülung! Kannst ja auch vorher aus einer Wasserflasche etwas reinpieseln lassen.«
    »Wegen der Authentizität: Nimm dafür O-Saft!«
    Mein Perfektionismus wurde ignoriert.
    »Dann ziehst du dich um und schleichst dich wieder raus. Nimm nicht die U-Bahn zurück. Wegen der Kameras. Man weiß ja nie.«
    »Wir müssen einen Punkt ausmachen, an dem wir dich wieder aufsammeln. Danach fahren wir an eine Tanke und erzählen, dass wir noch Sprit für eine Party brauchen. Wir kaufen ganz auffällig ein paar Flaschen und fertig. Damit wäre der Dicke zu Hause. Und WIR haben eine Begründung, falls uns jemand mit dem Auto zurückkommen sieht.«
    »Wir warten auf dem Parkplatz vor dem Altonaer Bahnhof. An der Ecke zu Rossmann. Bis dahin brauchst du vom Dicken höchstes fünf Minuten.«
    »Die Schlüssel! Wo sind seine Wohnungsschlüssel?« Marvie tastete die Weste ab. »Die muss er in seiner Hosentasche haben!«
    »Igitt!«

    »Wer holt sie da raus? Ritchie?«
    Ritchie guckte so weinerlich, dass sich Laura demonstrativ genervt neue Einweghandschuhe anzog. Nach zehn Minuten war sie zurück und warf einen Schlüsselbund auf den Tisch. Der Schlüsselanhänger passte nicht zu dem Dicken. Bei einem nihilistischen Brezelkopf wie ihm hätte ich eher ein kleines Beil oder eine Rasierklinge erwartet als dieses große rosafarbene Gummibärchen. Marvie nahm die Schlüssel an sich und knurrte mit tiefer Stimme: »Was ist denn das für eine Kacke!«
    Laura schüttelte eine Champagnerflasche und besprenkelte Marvies Kleidung: »Du brauchst eine Fahne! Haben wir irgendwas vergessen? Schnell, noch ist Zeit!«
    »Blödsinn!«, grummelte Marvie. »Ich muss nach Hause! Ich hab dreifache Bettschwere! Sieht das denn keiner von euch Idioten?« Sie war gut. Sie drehte das Gummibärchen in Händen, und sogar ihre Fingerchen sahen mit einem Mal aus wie die Brühwürste des Dicken. Nur ohne Behaarung. Sogar seine Armbanduhr hatte sie angelegt. Was für eine große Mimin! So groß, dass sie mich in ihrer Duplizität geradezu anwiderte. »Whow!«, sagte Cromwell. »Dir will ich ja nicht im Dunkeln begegnen!«
    »Schnauze, du Arsch!«
    »Ihre Stimme hat aber kaum Ähnlichkeit mit dem Dicken«, nörgelte Mendelssohn.
    »Papperlapapp, das hörst nur du, mit deinem feinen Supergehör.«
    »Außerdem soll sie keinen Contest gewinnen, sondern nur fett und besoffen sein.«

    »Ein herrliches Leben! ›Was willst du mal werden, wenn du groß bist?‹ ›Ich will fett und besoffen sein, Paps!‹«
    Cromwell bedachte mich mit einem Blick.
    »Das Taxi ist in zehn Minuten da«, bestellte Katharina. »Hast du die Tasche mit deinen Klamotten? Gut. Die Schlüssel? Gut. Ab vier Uhr fünfundvierzig stehen wir in Altona. Aber lass dir ruhig Zeit. Mach keine Fehler. Toi, toi, toi!«
    »Du schaffst es! Wir glauben an dich!«
    »Vergiss nicht, dich abzuschminken!«
    Und meine dicke Marvie watschelte zur Tür, Laura und Katharina hakten sie unter. Draußen stoppte ein Auto. Durch das Küchenfenster sahen wir, wie die Mädchen den schwarzen Mops ins Taxi setzten und mit dem Fahrer verhandelten. Dann brauste das Auto davon.

Kapitel 15
    schleppt sich durch einen bleichen Sonntagmorgen
auf der Reeperbahn.

    U m unsere eventuellen Ermittler endgültig zu verwirren, fuhren wir in Cromwells Auto zum Bahnhof Altona. Pünktlich um vier Uhr fünfundvierzig standen wir in der breiten Parkbucht. Bis auf zwei, drei späte Vögel war nichts los. Das Morgengrauen war in vollem Gange. Es ist dies eine Stunde, die mich – in egal welchem Zustand ich mich auch befinden mag, ob traurig, durchgedreht oder zufrieden – immer mit der Kraft ihres mehrdeutigen Lichtes in wehmütige Verzweiflung fallen lässt. Diese ungesunde Mischung
aus anbrechendem Tag und unrettbar sterbender Nacht, diese dumpfe Regelmäßigkeit der Zeit, dieses erbarmungslose Durchsetzungsvermögen von frühmorgendlich-grauem Schummer gegen die tröstliche nächtliche Schwärze, kurz: Ich verabschiede mich nur ungern von der tiefdunklen Lebenspause, und die Begrüßung eines erneut Energie verschlingenden, dreisten Tages fällt mir schwer; der neue Tag fuchtelt mit fremder Aufbruchstimmung vor meiner Nase herum, während ich nichts anderes will, als zurück unter die Plane der ruhigen Finsternis.
    »Ich wünschte, ich wäre nie geboren.« Cromwell bedachte mich durch den Rückspiegel mit einem Blick. Er fühlt sich in der Morgendämmerung ähnlich verloren. Und als wäre das

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