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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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schon.«
    Cromwell trat an Mendelssohn heran, und Mendelssohn mauschelte ihm die Neuigkeiten ins Ohr. Katharina sah mich an, indifferent, vorsichtig. »Schlomo, ich wollte dich nur vorwarnen.«
    »Ich weiß!«
    »Ach so? Was hat sie denn dieses Mal so erzählt?«
    »Wer?«
    »Alexa. Ich habe gesehen, wie sie auf dich eingeredet hat. Und ich wollte dich warnen: Wenn Alexa einen kleben hat, dann erzählt sie immer die irrsten Geschichten! Völlig absurd! Das liegt an ihrer Krankheit. Eigentlich darf sie gar keinen Alkohol trinken. Das verstärkt noch ihre Psychose.«
    »Was?«
    »Ja, Alkohol und Psychose – eine schlimme Mischung. Dann fängt sie an zu fantasieren. Immer neue Geschichten. Womit hat sie dich denn beglückt?«
    »Ach, ich weiß gar nicht mehr… Hauptsächlich ging es um Hitler.«
    »Ja?« Katharina zog ein ebenso beiläufiges wie misstrauisches Gesicht.
    »Jaja«, sagte ich abwimmelnd, »Treblinka, Sobibor, Theresienstadt … Du weißt schon.«
    »Du Armer. Das tut mir leid. Das ist ja nun nicht gerade ein unterhaltsamer Party-Talk.«

    »Ach, es ging so.«
    »Und sonst nichts?«
    Ja, Hallo. Natürlich wusste Katharina Bescheid. Und spätestes jetzt wusste sie, dass auch ich Bescheid wusste. Im Gegensatz zu Cromwell und der Familie Lövenich kann ich nämlich nicht aus dem Stegreif lügen. Zum Lügen bedarf ich einer gewissen gedanklichen Vorbereitung. Aber ohne Anlauf, quasi aus dem Stand, gerät mein Sprachmotor ins Stottern, ich rede einen erstaunlichen Unfug, ich werde puterrot, kurz: Deutlicher kann ein Mensch nicht lügen. Es sei denn, er trägt eine Baseballkappe mit dem Aufdruck »Ich lüge gerade«.
    »Nee … nur Hitler … war aber gar nicht schlimm, musst du dir nichts bei denken … ganz normal … Hitler halt… du weißt ja … immer am Schreien, immer am Leute ermorden … aber sonst nix.« Katharina sah mich an. Ich schwitzte. Wie sollte ich bloß die kommenden Stunden bei der Mordkommission überleben? Wenn mich schon Katharinas Blick zum Zappeln brachte? Jetzt half nur die Flucht nach vorn:
    »Übrigens: Ich war eben mit Mendelssohn oben. Er ist tot. Nicht Mendelssohn, sondern…«
    Katharina sah durch den Saal und schien die Gäste zu zählen. Dann schlug sie mir auf die Schulter, als hätte ich der Wurst den Garaus gemacht, und ging zu Schwiegerpaps, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Was an diesem Abend alles weggetuschelt und weggewispert wurde! Wie viele Lippen sich heute schon an Ohren gerieben hatten! Es war wie bei der Stillen Post, nur nicht so unverfänglich
wie auf einem Kindergeburtstag, wo aus »Sebastian frisst immer Torte« am Ende »Der Hahn findet keine Worte« wurde. Hier bei den Lövenichs gab man PARTY ein, und nach einer Runde kam TOTSCHLAG wieder raus. Oder IN-ZEST oder MEUCHELMORD.
    Cromwell und Mendelssohn hockten inzwischen bei Schwiegerpaps und Laura; keiner sprach, alle schienen auf den Abmarsch der letzten zähen Gäste zu warten. Schwerfällig bewegten sich die Überfälligen in Richtung Ausgang, höflich eskortiert von Katharina, noch einmal brandete Gesprächslärm ins Wohnzimmer, Abschiedsfloskeln, launiges Adieu, und dann endlich – Ruhe. Nur Alexa schnarchte zart auf ihrem Polster. Katharina breitete sorgsam eine karierte Decke über sie aus; in ihrer Unschuld wirkte die Geste besonders bizarr. Im Eiltempo räumte die Küchen-Crew auf, baute Buffets ab, trug körbeweise Geschirr und Besteck aus dem Haus, während ich bei jedem Blick auf die Uhr zwanghaft daran denken musste, ob und wie im oberen Stockwerk bereits Verwesungsprozesse in Gang kamen. Das Catering-Team verschwand, Laura schloss die Türen zum Garten. Und wie auf Verabredung setzte sich unser Trupp in Bewegung; wortlos stiegen wir in den ersten Stock und versammelten uns im Sterbezimmer der Wurst. Ritchie holte Marvie aus ihrer Mädchenkammer, und zum zweiten Mal standen wir im ratlosen Halbkreis um den schwarzen Sack herum.

Kapitel 13
    erwägt einige technische Fragen
zum fachgerechten Umgang mit einer
lästigen Leiche.

    N ach zwei Sekunden der angetäuschten Pietät plapperten alle durcheinander:
    »Wie blöd kann man eigentlich sein!«
    »Na prima! Jetzt sind wir geliefert!«
    »Wer war das!?«
    »Was ist denn los?«, fragte Marvie unsicher dazwischen. Entweder war sie tatsächlich nicht auf dem Laufenden oder aber die Jahrgangsbeste ihrer Schule. »Heucheln für Fortgeschrittene.« Wieder herrschte allgemeine »Bestürzung« und »Betroffenheit«, und auch diesmal hatte

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