Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
hängen.
4
N icky hätte den Tag freinehmen sollen. Am Abend musste Greg fahren, und er würde zehn Wochen wegbleiben. Aber es war einfach zu viel zu tun – Bobby war wegen Überarbeitung zu Hause, und Mike hatte erst eine Woche zuvor im Trauer-Ressort angefangen. Außerdem hatte sie sich mal wieder zeigen müssen. Sie wollte den Job nicht verlieren.
Ein Mann im blauen Overall trug eine tote Yucca aus dem Büro des Chefredakteurs. Eigentlich müsste ich einen Nachruf auf dieses ganze Geschäft schreiben, dachte Nicky, da erschien Maria und knallte ihr einen Cappuccino von »Costa Coffee« im Erdgeschoss hin.
»Bloß gut, dass wir den los sind«, murmelte sie, als die Kartons mit der Habe ihres Ex-Chefs auf eine Sackkarre gestapelt wurden.
»Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst«, sagte Nicky.
»Ich wünsche mir gar nichts mehr«, gab Maria zurück. »So werde ich nicht andauernd enttäuscht.«
»Man sollte doch eigentlich meinen, dass wir in diesem Job eine neue Perspektive aufs Leben gewinnen – und auf den Tod«, sagte Nicky.
»Perspektive ist was für Dumme«, erwiderte Maria und beugte sich zu ihr vor. »Und, wie war’s? Seid ihr auch mal aus dem Bett rausgekommen?«
Nicky verzog das Gesicht und merkte, dass Maria sie genau beobachtete.
»Jedes Mal, wenn ich nach Greg frage, setzt du diese tragische Miene auf.«
»Er fliegt heute Abend.«
»Das weiß ich doch.«
Maria war eine gute Journalistin: hartnäckig und aufmerksam. Ihr machte keiner was vor. Nicky wand sich. Sie spielte mit einer Ecke des Blattes, das vor ihr lag.
»Er ist so viel weg. Das nervt.«
»Dann zieh nach L.A. , arbeite frei, lass dich schwängern – du hast doch Möglichkeiten.«
Nicky seufzte. Sie mochte Maria, sehr sogar. Sie war gnadenlos optimistisch, was die Aussichten anderer anging, und pessimistisch in Bezug auf ihre eigenen. Was Nicky ihr nicht erzählen konnte, war, dass sie in einer Art Starre verharrte. Sie vermutete, dass Greg, sobald sie ankündigte, sie werde nach Kalifornien ziehen, plötzlich einen Grund finden würde, in China zu arbeiten. Es ging nicht um die räumliche Distanz, es ging um das, was jeder von ihnen wollte. Nicht zum ersten Mal dachte sie darüber nach, ob ihre Liebe auf etwas basierte, das durch und durch verkehrt und daher auch nicht zu halten war.
Maria streckte den Arm aus, angelte einen gelben Post-it-Zettel von ihrem Bildschirm und legte ihn Nicky hin. »Der Typ hat heute Morgen schon zweimal angerufen.«
Nicky brauchte einen Moment, um den Namen zuzuordnen – Adam, aus dem Flugzeug. Sie hatte ihn komplett vergessen.
»Hat er gesagt, worum es geht?«
»Nein.«
Als sie nach dem Telefon griff, fühlte sie sich unter scharfer Beobachtung, doch sie bekam ohnehin keine Verbindung zu dem Handy.
»Eine Affäre wäre natürlich auch eine Möglichkeit«, sagte Maria beiläufig.
Nicky antwortete nicht. Sie spürte die Röte in ihre Wangen steigen.
»Na, du bist mir ja eine«, sagte Maria leise zu ihrem Bildschirm, und Nicky warf den Plastikdeckel ihres Kaffeebechers nach ihr.
Als sie aufblickte, sah sie Bruton, den Nachrichtenredakteur, auf sich zurauschen.
Rauschen
trifft es genau, dachte sie. So wie im Frühjahr Eislawinen zu Tal gingen, brach er jetzt in ihr Büro. Sie hatte ihn noch nie hektisch werden sehen, nicht einmal, als die Twin Towers eingestürzt waren, aber er hatte einen scharfen Verstand und war wendig. Man machte einen Fehler, wenn man aus seiner körperlichen Schwerfälligkeit auf einen Mangel an geistiger Beweglichkeit schloss. Als er sich ihrem Schreibtisch näherte, verlangsamte er seinen Schritt und blieb schließlich stehen.
»Was haben wir heute?« Seine Stimme rasselte wie Kies.
»Einen früheren Kanzler der Unversität Durh…«
Er unterbrach Maria. »Langweilig. Damit macht bitte nicht auf.«
Jetzt übernahm Nicky. »Eine Schauspielerin aus den Ealing-Komödien, die eine Affäre mit einem ehemaligen Präsidenten …«
»Foto?«
»Sexy und von so guter Qualität, dass wir es groß bringen könnten.«
Er nickte. Dann zog er ein weißes Plastikröhrchen aus der Hosentasche, setzte es an die Lippen und saugte daran.
Nicky fuhr fort: »Da wäre noch ein Bergsteiger, der den Mount Everest erklommen und ein besonderes Steigeisen erfunden …«
»Nein. Der Chefredakteur ist gefeuert. Auf dessen Interessen müssen wir keine Rücksicht mehr nehmen.«
»Sieht aus, als würdest du einen Tampon-Applikator rauchen«, sagte Maria.
Bruton nahm das
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