Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
alleine, und in zwei Tagen musste er schon wieder los. Sie wollte ihn für sich haben und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen deswegen.
Arthur zog den Korken aus einer Flasche Rotwein und lachte.
Nicky zwang sich zu lächeln, als sie registrierte, dass Liz in der Sofaecke saß, in kleinen Schlucken Rotwein schlürfte und sie beide ungerührt beobachtete.
»Wie lang bleibst du, Greg?«
»Vier Tage. Ist eher eine Stippvisite.«
»Bist hoffentlich nicht zu einsam, Nics.«
Mit einem scharfen Messer durchtrennte Nicky die Folie, in die die Kabeljaufilets gewickelt waren. Sie antwortete nicht. Liz lehnte sich zurück. Ihr Haar war provokant grau. Sie weigerte sich standhaft, es zu färben, obwohl Margaret sie ständig deswegen bearbeitete. Nicky sah, wie sie mit zusammengekniffenen Augen in den Garten spähte, als nahe von dort in Gestalt von Bäumen und Sträuchern ein Feind. Ihre Küche war groß, ihr Haus stand an einer breiten Straße im Norden von London. Liz-die-Geschiedene musste von ihrem Reihenhaus im Süden der Stadt eine beschwerliche Reise auf sich nehmen, wenn sie sie besuchen wollte. Sie war Sozialarbeiterin im Schichtdienst und hatte zufällig an diesem Wochenende frei. Nicky hoffte, dass sie das Thema Kinder wenigstens dieses eine Mal ausließ.
»So ganz allein in dem schicken großen Haus.«
»Mein Gott, Liz, jetzt halt mal die Luft an!«, schnappte Greg.
Liz lächelte wissend und trank den nächsten Schluck Wein. Nicky nahm die Filets aus der Folie. Sofort verteilte sich Schleim über ihre Fingerspitzen. Liz liebte es, den Finger in Wunden zu legen, sie stocherte gern in alten Geschichten – und in gewisser Hinsicht gab es mehr als genug davon.
Nachdem sie Grace’ Tod überstanden hatte, dachte Nicky, dass sie nichts mehr umhauen würde, aber die Reaktionen auf ihre Beziehung zu Greg hatten sie doch hart getroffen. Liz zum Beispiel hatte einfach auf diese typische, gemeine Weise gelächelt – wie ein Hai auf Beutezug. Grace’ Bruder war direkter gewesen. Er war an ihrer Tür erschienen und hatte gedroht, Greg und ihr etwas anzutun. Grace’ Vater sprach nicht mehr mit ihnen. Das tat weh, war aber zu erwarten gewesen. Trauer zerstörte Beziehungen, das war ein letzter Triumph des Todes.
Dennoch hatte Nicky nie daran gezweifelt, dass Grace sich für sie beide gefreut hätte. Und sie hielt es für ihre Pflicht als beste Freundin, gegen die Gerüchte vorzugehen, gegen die bösartigen Verleumdungen und Unterstellungen, Greg sei verantwortlich für Grace’ Tod. Mochte er zum Zeitpunkt der Tat auch Tausende Kilometer entfernt gewesen sein – als Ehemann zählte er automatisch zu den Hauptverdächtigen. Wieder und wieder hatten die Polizisten ihm zugesetzt, nach seinem Verhältnis zu Grace gefragt und nach dem Geld. Grace’ Tod hatte einen reichen Mann aus ihm gemacht. Er hatte ihr Lokal verkauft – was hätte er auch sonst damit machen sollen? Sicher, sagte er, er habe vom Immobilienboom profitiert und bei der Transaktion viel Geld verdient, aber Grace sei nicht mehr da, und Gastronomie sei nun einmal nicht sein Gebiet.
Manchmal fragte Nicky sich, inwieweit der Erfolg, den er seither als Kameramann bei großen Filmproduktionen hatte, seine Ruhelosigkeit, sein Ehrgeiz, seine Tendenz zum Workaholic aus dem Bedürfnis resultierten, den Zweiflern zu beweisen, dass sie sich irrten, dass er keiner war, der sich mit dem Geld seiner toten Frau ein schönes Leben machte.
Die Launen des Schicksals waren grausam, fand Nicky – sie hatte nicht nur Grace verloren, sondern auch deren Familie. Für Greg hatte sie sie aufgegeben, und jetzt, nach fünf Jahren, kamen ihr manchmal Zweifel, ob er das wert war. Ihre Finger trommelten auf der Arbeitsplatte. Das altbekannte Verlangen nach einer Zigarette für die Nerven nagte an ihr. In dem Wunsch, sich von innen heraus zu reinigen und neu anzufangen, hatte sie nach Grace’ Tod mit dem Rauchen aufgehört, aber es war unendlich schwer, so alte Gewohnheiten tatsächlich zu überwinden.
Liz gähnte, kickte ihre Schuhe weg und legte ihre bestrumpften Beine hoch, machte es sich so richtig bequem auf dem Sofa und in dem Haus, das Greg von Grace’ Geld gekauft hatte.
Plötzlich verspürte Nicky den wilden Drang, Greg zu verteidigen, und Zorn auf jene, die an ihm gezweifelt, die ihm nicht geglaubt hatten. Sie war diejenige, die Nacht für Nacht aufwachte, wenn er sich, gebeutelt von schrecklichen Träumen, im Bett hin und her warf. Sie war diejenige, die
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