Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
dem Vater eines Freundes von mir. Was möchtest du trinken?«
Sie verlangte Wasser, und es kam Champagner. Das Lokal füllte sich, doch unter den Gästen war niemand, den sie kannte. Sie waren ungestört an ihrem Tisch, das Essen war sehr gut. Sie kam sich vor wie in eine andere Welt versetzt, in eine Stadt, in der sie anonym waren und angenehm allein. Dennoch ermahnte sie sich, an die Arbeit zu denken.
»Deine Tante.«
Adam beugte sich vor und sah ihr in die Augen. »Hast du mal vom ›Tramps‹ gehört?«
»Dem Nachtclub?«
Adam nickte.
»Natürlich. Aber ich bin nie da gewesen. Dafür bin ich weder hip noch berühmt genug.«
Sie verlangte noch einmal nach Wasser, und diesmal wurde ein Glas Rotwein dazugestellt. Sie verzichtete darauf zu protestieren und nahm sich stattdessen vor, nüchtern zu bleiben.
»Meine Tante war dort in den Siebzigern und Achtzigern so eine Art Empfangsdame. Sie hat kleine Gefälligkeiten erledigt, war mit berühmten Leuten befreundet, hat mit Hollywood-Größen angebändelt. Solche Sachen.«
»Wie lange hat sie das gemacht?«
»Ich weiß es nicht ganz genau. Sie sagt immer, es seien Unmengen von Fotos da, auf denen sie mit irgendwelchen Promis im Club zu sehen ist.«
»Hat sie gesagt, was für Leute das sind?«
»Da ist sie vage geblieben. Sie meinte nur, welche, mit denen man da nicht gerechnet hätte.«
Das roch doch nach einer Geschichte. Nicky bemühte sich, beiläufig zu bleiben. Was nicht ganz einfach war, beugte sie sich doch weit über den Tisch und fühlte Adams Knie an ihrem. »Hört sich interessant an. Könntest du mir diese Fotos besorgen?«
»Sie liegen im Haus. Alle Sachen von Connie sind da. Ich müsste sie suchen.«
»Im Haus. Das sagt man doch nur, wenn man eine richtig große Villa hat.«
Adam lachte. »Gut aufgepasst. Es hat tatsächlich viele Zimmer. Und steht in der Nähe von Bournemouth.«
»Ist Connie da aufgewachsen?«
»Ja. Sie ist die Schwester meines Vaters.«
»Seid ihr eine große Familie?«
Die Frage schien Adam unangenehm zu sein. Vielleicht wollte er auch nur bescheiden wirken. »Es leben nicht mehr viele. Meine Mutter ist tot.«
»Das tut mir leid.«
»Wenn meine Tante jetzt auch noch geht, sind nur noch mein Vater und ich übrig.«
Nicky zuckte die Achseln. »Ich kenne meine Mutter gar nicht.«
»Wieso?«
»Ich bin adoptiert.« Als sie sah, dass er sie bedauern wollte, winkte sie ab. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Adoptivfamilie. Da gibt’s nichts, was ich
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müsste.«
»Hast du dir nie gewünscht, deine leiblichen Eltern kennenzulernen?«
»Nie.«
»Das ist ungewöhnlich.«
Mit ihrem Lächeln kaschierte Nicky, dass sie log. In gewisser Weise. Es wäre ungewöhnlich gewesen – hätte es nicht doch ein paar Dinge gegeben, die sie beschäftigten. Sie liebte ihre Familie, hatte aber immer das Gefühl gehabt, anders zu sein. Sie drehte den Stiel ihres Glases zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Sie hatte sich Grace auch deshalb so verbunden gefühlt, weil sie von klein auf gelernt hatte, haltbare Beziehungen aufzubauen und sich nicht auf Blutsbande zu verlassen.
Sie wurde abrupt in die Wirklichkeit zurückgeholt, als Adam seine Hand über den Tisch schob und auf ihre legte.
»Du bist in Gedanken ganz woanders, oder?«
Rasch zog sie die Hand weg und legte sie in den Schoß. »Ich bin verheiratet, Adam.«
»So benimmst du dich aber nicht.«
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Sie kam zur Vernunft. »Ich muss gehen.«
»Wehe! Ich rede Unsinn. Das geht mich doch gar nichts an.«
»Im Ernst. Es ist besser so.«
»Bitte bleib, Nicky! Bitte.«
Sie schwankte einen Moment und gab schließlich nach. Eine Weile stocherte sie schweigend in den Sprossen.
»Manchmal haben wir es nicht leicht. Gregs Frau ist ermordet worden. Sie war außerdem meine beste Freundin«, sagte sie schließlich.
Er starrte sie entsetzt an. »Deine beste Freundin ist ermordet worden?«
»Erinnerst du dich an den Fall mit der Toten im See?«
Er nickte.
»Das war sie.«
Der Ausdruck seiner Augen blieb unbestimmt, sie konnte ihn nicht deuten.
»Greg und Grace waren verheiratet.«
Adam hüstelte. »Verstehe.« Offensichtlich suchte er nach den passenden Worten. »Das tut mir leid …«
»Muss es nicht.« Sie machte eine abwehrende Geste. Viel lieber wollte sie es wieder so leicht und unbeschwert haben wie noch wenige Minuten zuvor. »Es ist nicht immer ganz einfach mit Greg und mir. Die
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