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Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Titel: Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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Plastikrohr aus dem Mund und starrte es abwesend an. Dann hustete er, und es klang, als würde ein Sack voller Steine geschüttelt. Enttäuscht musterte er seine Ersatzzigarette. Sie gab ihm nicht den Kick, den er brauchte. Er wies mit dem Tampon-Applikator auf das leere Büro des Chefredakteurs.
    »Es wird gemunkelt, dass die Auflage abstürzt.«
    Maria stieß einen zynischen Jubelruf aus. »Das heißt: mehr Affären, mehr Skandale, mehr tote Frauen.«
    »Also nichts mehr über Beamte«, ergänzte Nicky, und darüber mussten sie alle drei lachen – bis Bruton von einem Hustenanfall heimgesucht wurde, den Nicky immerhin so besorgniserregend fand, dass sie aufstand und ihm auf den Rücken klopfte.
    Nicky liebte ihren Job. Sie arbeitete hier schon seit Jahren, und es machte ihr Spaß. Ihr war klar, dass es Kollegen gab, die Nachrufe für unter ihrer Würde hielten, etwas, das die Leute schnell überblätterten, um zum Sportteil zu kommen. Zudem sah man in diesem Ressort nie seinen Namen gedruckt. Der Nachruf gehörte dem Dahingegangenen und niemandem sonst. »In einem Text, der von hier kommt, wird niemand je versteckte Werbung finden«, sagte Maria manchmal.
    Von Nicky würde in nächster Zeit kein Porträt in der Zeitung erscheinen. Sie würde nicht einmal einen Hauch von Prominenz erlangen, und das war ihr nur recht. Trotzdem fragte sie sich hin und wieder – wo sie doch ständig vom Tod umgeben war –, was wohl in ihrem eigenen Nachruf stehen würde. Nicht viel. In der Hinsicht glich sie so vielen anderen, die planlos und unspektakulär vor sich hin lebten. Nur die wenigsten, das wusste sie, taten überhaupt je etwas Bedeutendes, etwas, das andere veranlasste, Einzelheiten zu ihrer Person in elektronischen Archiven zu sammeln und ihre Lebensgeschichte niederzuschreiben, obwohl sie noch gar nicht gestorben waren. Die meisten gingen von einem Tag auf den anderen: Krebs oder ein Unfall oder schlicht das Alter. Wie der Tod auch kam, es gab davor immer ein Leben, das sich resümieren ließ. Sie trank einen Schluck Kaffee. Und dann war da Grace, von der nicht die gelebten Jahre in Erinnerung geblieben waren, sondern die Art ihres Todes, die Tatsache, dass die Justiz ihn nie aufgeklärt hatte.
    »Du wirkst total abwesend«, sagte Maria, wickelte ihr Haar um einen Stift und steckte es zu einem wackligen Knoten.
    Nicky lächelte. »Ich denke über den Tod nach«, sagte sie.
    »Gib dich nicht zu lange damit ab. Ich stelle ihn mir wie die Grippe vor: Er erwischt dich einfach.«
    Nicky verbrachte den Vormittag damit, die Nachrichtenticker nach neuen Todesmeldungen abzusuchen und mit ein paar freien Kollegen zu sprechen, und weil es draußen schön war, machte sie sich zeitig auf, etwas essen zu gehen. Auf dem Weg durch die Eingangshalle stockte sie. Auf dem Sofa neben dem Ausgang saß Adam.
    Als er aufstand und mit den Händen in den Hosentaschen auf sie zukam, zog sich ihr Magen zusammen. Sie gaben einander die Hand. Weder entschuldigte er sich dafür, dass er so einfach bei ihrer Arbeit auftauchte, noch schien es ihm etwas auszumachen, dass er damit ziemliches Interesse demonstrierte.
    »Das ist eine Überraschung«, sagte Nicky.
    »Keine Sorge, ich bin nicht hier, weil ich einen Job brauche.«
    Da war wieder dieses einzigartige Lächeln. Sie setzte eine erleichterte Miene auf.
    »Bloß gut. Hier bringt es zurzeit nämlich nicht viel, nach einem Job zu fragen.«
    »Es geht um meine Tante. Sie hat nicht mehr lange. Ich habe mich ein bisschen mit ihrem Leben beschäftigt und finde, das würde für einen Nachruf einiges hergeben.«
    Wie süß, dachte Nicky. Sie war sicher, dass Adam sich in sie verguckt hatte. Ein bisschen wenigstens. Dass er wirklich etwas Brauchbares für sie hatte, bezweifelte sie allerdings – viele Leute hielten die Geschichten ihrer Angehörigen für weitaus interessanter, als sie tatsächlich waren. »Hast du deswegen angerufen?«
    »Ja.«
    Gemeinsam gingen sie durch die Drehtür hinaus in die Sommerhitze. Nicky sehnte sich danach, mit einem Sandwich und etwas zu trinken auf einer der Bänke in der winzigen Grünanlage um die Ecke zu sitzen.
    »Und als du mich nicht erreicht hast, dachtest du, du kommst einfach her und erzählst es mir direkt.«
    Er zuckte die Achseln. »Vielleicht bin ich ein bisschen nervös. Kann ich dich zum Essen einladen und dir dabei von ihr erzählen?«
    Nicky protestierte gebührend. »Das wäre ja noch schöner. Du lädst mich überhaupt nicht ein. Aber du kannst mir

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