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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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ihr. Sie hielt ihn wieder unter die Nase, tat, als würde sie den Duft des Leders genießen, bewegte vorsichtig die Hände, bis sie ihn an der Spitze hielt. Gleichzeitig zog sie die Knie an, als versuchte sie, wieder Gefühl in ihre Beine zu bekommen.
    »Sind Sie derjenige, von dem die Zeitungen geschrieben haben, er hätte einen kleinen Dödel?«, fragte sie unvermittelt.
    Bei der Beleidigung zuckte er zusammen. In diesem Augenblick bog sie den Rücken durch, streckte die Knie, traf ihn mit den Spitzen ihrer Turnschuhe unter dem Kinn, dass er hochgerissen wurde und mit dem Kopf gegen die Decke des Busses prallte. Das Messer fiel scheppernd zu Boden.
    Bevor er sich fassen konnte, war sie aufgesprungen und hatte ihm die Maske vom Kopf gerissen. Ohne sie sah er beinahe mitleiderregend aus, wie ein kleiner, verwunderter Maulwurf. Dann rammte sie ihm den spitzen Absatz des Schuhs ins rechte Auge.
    Er schrie auf. Ein grauenhaftes Heulen, eine Mischung aus Schmerz, Schock und Wut. Blut spritzte über sein Gesicht. Dann packte sie das Messer, riss die Schiebetür auf und stolperte hinaus in die Dunkelheit. Hinter sich hörte sie das schreckliche Heulen eines wahnsinnigen, verwundeten Tieres.
    Sie rannte und prallte gegen etwas Hartes. Da traf sie ein Lichtstrahl von hinten.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße.
    Wie konnte sie nur so dumm sein? Sie hätte die verdammte Taschenlampe mitnehmen müssen!
    Im Lichtschein sah sie Güterwaggons auf verstaubten Schienen stehen. Einen Brückenkran. Einen stählernen Laufsteg auf halber Höhe der Wände. Gegenstände, die wie riesige hängende Turbinen aussahen.
    Wo war die Tür?
    Sie hörte ein Schlurfen. Er brüllte vollkommen außer sich: »MEINST DU, DU KOMMST DAMIT DURCH? NIE IM LEBEN, DU SCHLAMPE!«
    Sie umklammerte das Messer. Der Lichtstrahl schien ihr ins Gesicht und blendete sie. Sie drehte sich um. Eine riesige Doppeltür jenseits der Bahnschienen. Dort waren die Waggons herein- und hinausgefahren. Sie rannte darauf zu, wobei der Strahl ihr den Weg wies.
    Dann stand sie vor der Kette mit dem Vorhängeschloss, die beide Türen verband.

110
Jetzt
Sonntag, 18. Januar
    Jessie drehte sich um und schaute geradewegs in den Strahl der Lampe. Sie überlegte fieberhaft. Er hatte keine Schusswaffe, da war sie sich ziemlich sicher, sonst hätte er vermutlich nicht das Messer benutzt. Er war verletzt. Er war nicht groß. Sie hatte das Messer. Sie konnte ein bisschen Selbstverteidigung. Dennoch hatte sie Angst vor ihm.
    Es musste einen anderen Ausgang geben.
    Da ging die Lampe aus.
    Sie blinzelte in die Dunkelheit, als könnte sie damit neues Licht herbeizaubern. Ihr Herz klopfte heftig, sie konnte sich selbst keuchen hören und versuchte, ruhiger zu atmen.
    Er war ihr gegenüber im Vorteil. Er kannte sich hier drinnen aus.
    Schlich er sich vielleicht gerade an?
    Im Lampenlicht hatte sie zu ihrer Linken einen riesigen leeren Raum gesehen, an dessen Ende sich eine Art Silo befand. Sie machte ein paar Schritte und stolperte. Etwas rollte unter ihren Füßen weg und landete Sekunden später mit einem Platschen im Wasser.
    Scheiße.
    Sie stand reglos da. Dann fiel ihr das Handy ein!
    Wenn sie es zurück zum Bus schaffte, könnte sie damit Hilfe rufen. Dann überkam sie erneut die Panik. Wen sollte sie denn anrufen? Wo war sie überhaupt? Sie saß gefangen in irgendeiner riesigen, stillgelegten Fabrik. Was würden die Leute vom Notruf wohl denken, wenn sie ihnen das erzählte?
     
    Er war zurück im Campingbus. Sein Gesicht pulsierte vor Schmerz, und er konnte auf dem rechten Auge nichts sehen, doch das war egal, ihm ging es nur noch um die Schlampe. Sie hatte sein Gesicht gesehen.
    Er musste sie finden. Musste verhindern, dass sie entkam.
    Es ging nicht anders, sie war zu gefährlich.
    Und er wusste auch wie.
    Er wollte seine Position nicht verraten, indem er die Lampe einschaltete. Also tastete er sich so leise wie möglich durchs Innere des Busses, bis er fand, wonach er suchte. Sein Nachtsichtfernglas.
    Es dauerte nur Sekunden, bis er sie entdeckt hatte. Eine grüne Gestalt, die sich langsam vorwärts bewegte, wie in Zeitlupe.
    Du hältst dich für ganz schön clever.
    Er sah sich nach einer Waffe um, etwas Schwerem und Hartem, mit dem er sie niederschlagen konnte. Er öffnete den Schrank unter der Spüle, doch trotz des Fernglases war es zu dunkel, um etwas darin zu erkennen. Also schaltete er kurz die Lampe ein. Schmerzhaft schoss ihm das grelle Licht ins rechte Auge, so dass er die

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