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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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automatisch, als wäre das Geräusch ein Metronom. Vier Sekunden. Bumm. Vier Sekunden. Bumm. Vier Sekunden. Bumm.
    Dann ein lautes, gleitendes Scheppern.
    Der Wagen erbebte.
    Schritte.

108
Jetzt
Sonntag, 18. Januar
    Das Leichenschauhaus von Brighton and Hove war umfassend renoviert worden, da sich inzwischen viele Leute zu Tode aßen und nicht mehr in die alten Kühlschränke passten. Daher hatte man neue übergroße Kühlschränke eingebaut.
    Nicht dass man einen übergroßen Kühlschrank benötigt hätte, um die vertrockneten Überreste der Frau aufzunehmen, die an diesem Sonntagnachmittag um halb sechs auf dem Untersuchungstisch im neuen Autopsieraum lag.
    Selbst nach einer halben Stunde hatte sich Grace noch nicht an den entsetzlichen Geruch gewöhnt. Er konnte verstehen, weshalb früher fast alle Rechtsmediziner geraucht und mit einer Zigarette zwischen den Lippen an den Leichen gearbeitet hatten. Wer das nicht wollte, rieb sich unter der Nase dick mit Erkältungsbalsam ein. Diese Tradition schien jedoch mit dem Rauchverbot verschwunden zu sein. Er selbst hätte durchaus eine Zigarette gebrauchen können.
    War er eigentlich der Einzige hier drinnen, dem der Geruch etwas ausmachte?
    Seit dem Beginn der Autopsie hatte Nadiuska de Sancha jeden Quadratzentimeter Haut der toten Frau sorgfältig abgeklebt und jeden Klebestreifen separat verpackt, immer in der Hoffnung, dass im Labor eine einzelne Haut- oder Samenzelle, ein Haar oder eine Kleiderfaser, die dem bloßen Auge verborgen blieben, gefunden wurde.
    Grace starrte wie gebannt auf die Leiche. Die Haut war fast schwarz vor Trockenheit, praktisch mumifiziert. Das lange braune Haar war gut erhalten. Ihre Brüste waren eingeschrumpft, aber noch deutlich zu erkennen, ebenso Becken und Schamhaar.
    An ihrem Hinterkopf war eine Delle zu erkennen, wie von einem schweren Schlag oder Sturz. Nadiuska hatte noch vor der eingehenden Untersuchung erklärt, ein Schlag auf diesen Teil des Schädels könne einen normalen Menschen töten.
    Joan erklärte, das Alter der Frau könne anhand der Zähne auf spätes Teenageralter bis Mitte zwanzig festgelegt werden.
    So alt war Rachael Ryan gewesen.
    War sie auch tot? Tot wie diese Frau?
    Nadiuska entfernte die Haut am Hals, um das Schlüsselbein freizulegen und das Alter genauer zu bestimmen. Joan Major schaute gespannt zu.
    Auf einmal wurde die forensische Archäologin aufgeregt. »Sehen Sie hier! Können Sie das Schlüsselbein erkennen? Es ist nicht geschlossen. Das geschieht gewöhnlich erst mit etwa dreißig Jahren. Also können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sie deutlich unter dreißig war – Anfang zwanzig, würde ich schätzen. Wenn wir das Skelett weiter freigelegt haben, kann ich eine noch genauere Beurteilung abgeben.«
    Grace schaute der toten Frau ins Gesicht und wurde unendlich traurig. Bist du Rachael Ryan?
    Er war sich zunehmend sicher.
    Er konnte sich genau erinnern, wie er in den schrecklichen Tagen nach ihrem Verschwinden Weihnachten 1997 mit ihren verzweifelten Eltern gesprochen hatte. Er erinnerte sich an ihr Gesicht, an alle Einzelheiten, trotz der langen Zeit, die seither vergangen war. Er sah ihr lächelndes, fröhliches, hübsches Gesicht, ein junges Gesicht, voller Leben.
    Habe ich dich endlich gefunden, Rachael? Ich weiß, es ist zu spät. Es tut mir unendlich leid, dass ich zu spät komme. Ich habe mein Bestes getan.
    Eine DNA-Analyse würde ihm verraten, ob er recht hatte, und es dürfte kein Problem sein, eine gute Probe zu entnehmen. Die Rechtsmediziner und die Archäologen waren beide vom Zustand der Leiche beeindruckt. Nadiuska erklärte, sie sei besser erhalten als manche Leichen, die erst einige Wochen alt waren, was sie der Tatsache zuschrieb, dass sie in zwei Schichten Plastikfolie gewickelt und an einer trockenen Stelle begraben worden war.
    Jetzt entnahm sie einige Vaginalabstriche, die sie sorgfältig verpackte und beschriftete.
    Grace starrte auf die Leiche, die Zeit schien plötzlich um zwölf Jahre zurückgedreht. Er fragte sich, ob er irgendwann irgendwo in einem Leichenschauhaus stehen und erklären würde, dass es sich bei der Toten um Sandy handelte.
    »Das ist ziemlich bemerkenswert!«, verkündete Nadiuska. »Die Vagina ist absolut intakt.«
    Grace konnte den Blick einfach nicht von der Leiche wenden. Das lange braune Haar wirkte geradezu obszön gut erhalten und bildete einen starken Kontrast zu dem eingeschrumpften Kopf, aus dem es hervorspross. Es gab einen Mythos, nach

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