Du sollst nicht sterben
Taschenlampe fallen ließ, rückwärts stolperte und hinfiel.
Jessie hörte den Lärm. Sie drehte sich um und sah das Licht im Campingbus. Sie eilte rasch auf den Silo zu, fiel über etwas, stieß sich den Kopf an einem scharfen Gegenstand. Sie musste ein Stöhnen unterdrücken. Doch sie tastete sich weiter, bis ihre Hände einen senkrechten Stahlträger ergriffen.
War es einer der Pfosten, die den Silo trugen?
Vorsichtig bewegte sie sich nach vorn, tastete an der Wölbung unten am Silo und kroch darunter, stand auf und atmete den staubigen, trockenen Geruch ein. Dann stieß sie auf etwas, das sich wie eine Leitersprosse anfühlte.
Er suchte weiter mit der Lampe, riss hektisch alle Schubladen auf. In der letzten fand er ein Bündel Werkzeuge, darunter auch einen großen, schweren Schraubenschlüssel und nahm ihn heraus. Der Schmerz in seinem Auge wurde immer schlimmer. Blut lief ihm übers Gesicht. Wieder griff er zum Fernglas, bewegte sich zur Tür und schaute hinaus.
Die Schlampe war verschwunden.
Egal, er würde sie finden. Er kannte die Zementfabrik wie seine Westentasche. Immerhin hatte er den Einbau der Überwachungskameras beaufsichtigt. In diesem Gebäude befanden sich die riesigen Öfen, in denen die Mischung aus Kalk, Lehm, Sand und Bodenasche auf 1500° C erhitzt wurde. Danach wurde sie in zwei riesige Kühlturbinen geleitet, weiter zu den Mühlen und in eine Reihe von Lagersilos, aus denen sie auf Lkw verladen wurde. Wenn sich die Schlampe verstecken wollte, fand sie hier viel Gelegenheit.
Aber es gab nur einen Ausgang.
Und er trug die Schlüssel zum Vorhängeschloss in der Tasche.
111
Jetzt
Sonntag, 18. Januar
Roy Grace hatte die Besprechung am Sonntagabend auf 19.30 Uhr verschoben, damit er über die Ergebnisse der Exhumierung berichten konnte.
Er ließ Glenn Branson im Leichenschauhaus, damit er ihn über neue Entwicklungen auf dem Laufenden halten konnte. Die Autopsie war noch nicht abgeschlossen und würde wohl noch eine Weile dauern. Die Leiche hatte einen gebrochenen Kiefer und einen Schädelbruch, der vermutlich durch einen tödlichen Schlag auf den Kopf hervorgerufen worden war.
Seine ganzen Hoffnungen, die tote Frau zu identifizieren und somit die Exhumierung zu rechtfertigen, ruhten auf den Haarfollikeln und den entnommenen Hautproben. Hinzu kam das Kondom, das laut Nadiuska de Sancha und Joan Major möglicherweise brauchbare Spermaspuren enthielt. Die forensische Archäologin war zuversichtlich, dass sie DNA sicherstellen könnten, obwohl die Leiche zwölf Jahre im Grab gelegen hatte.
Sie hatten die Proben in einer Kühlkiste an Orchid Cellmark Forensics, sein bevorzugtes Labor, geschickt. Dort hatte man versprochen, umgehend mit der Arbeit zu beginnen. Allerdings war ein langsamer Sequenzierungsprozess erforderlich, und selbst wenn das Labor rund um die Uhr arbeitete, würden sie die ersten Ergebnisse nicht vor morgen Nachmittag erhalten. Man sicherte ihm zu, ihn umgehend anzurufen.
Er setzte sich und brachte sein Team auf den neuesten Stand, bevor er sich nach Fortschritten erkundigte.
Bella Moy machte den Anfang. Sie verteilte Fotos einer jungen Frau mit zerzaustem Haar. »Sir, bei diesem Foto handelt es sich um ein Suchplakat. Ihr derzeitiger Name lautet Donna Aspinall, aber sie hat mehrere Namen. Sie ist eine bekannte Drogensüchtige mit diversen Vorstrafen wegen Schwarzfahrens in Zügen und Taxis. Es gab einen Strafbefehl gegen sie wegen antisozialen Verhaltens, und sie wird zurzeit wegen Körperverletzung in mehreren Fällen gesucht. Sie wurde bei der Operation gestern Abend von zwei verdeckten Ermittlern, von denen sie einen in den Arm gebissen hat, als die Person identifiziert, die der Taxifahrer John Kerridge verfolgt hat.«
Grace starrte auf das Foto. »Wollen Sie damit andeuten, dass Kerridge die Wahrheit sagt?«
»Zumindest ist es nicht ausgeschlossen, Sir.«
Er überlegte. Kerridge befand sich seit nunmehr vierundzwanzig Stunden in Untersuchungshaft. Sie würden den Taxifahrer morgen früh um halb zehn freilassen müssen, sofern sie einem Richter nicht ausreichende Gründe präsentieren konnten, um eine Verlängerung zu erwirken. Bisher gab es keinen Beweis dafür, dass der Schuh-Dieb hinter dem Verschwinden von Jessie Sheldon steckte. Doch wenn Ken Acott Wind davon bekam – was er zweifellos würde und vermutlich schon hatte –, rückte eine Verlängerung in unerreichbare Ferne. Er musste darüber nachdenken und womöglich noch heute Abend vor einem
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