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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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lang sein E-Mail-Programm durchforstet hatte, fand Grace das Schreiben unter Hunderten anderer ungelesener Mails. In jener Zeit hatte Chaos im Büro geherrscht, und Pewe hatte es genossen, ihn täglich mit Dutzenden Mails zu bombardieren. Hätte er alle gelesen, wäre er zu gar nichts mehr gekommen.
    Dennoch – er hatte sich blamiert und einen Verdächtigen weniger.

112
Jetzt
Sonntag, 18. Januar
    Jessie hatte schon immer unter Höhenangst gelitten. Zumindest in dieser Hinsicht war die Dunkelheit von Vorteil. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, sie war einfach nur geklettert, Sprosse um Sprosse. Vermutlich handelte es sich um eine Inspektionsleiter innerhalb der Schütte.
    Sie war so lange geklettert, als führte die Leiter geradewegs in den Himmel. Alle paar Stufen schaute sie vorsichtig nach unten, weil sie fürchtete, er werde ihr folgen. Bisher war von ihm jedoch nichts zu sehen oder zu hören.
    Schließlich ertastete sie ein Geländer über sich und ein Metallgitter als Boden. Sie hievte sich hinauf und fiel auf einen Stapel alter Zementsäcke. Dort kauerte sie nun und spähte in die Dunkelheit um sich herum. Sie horchte angestrengt und versuchte, ganz still zu sitzen, um keine Geräusche zu verursachen.
    Es war nichts zu hören außer den schon bekannten Geräuschen in ihrem Gefängnis. Das regelmäßige Scheppern, Klappern, Knirschen und Schlagen, das hier oben viel lauter klang als unten im Bus. Der Wind fuhr durchs Gebäude und bewegte irgendwelche kaputten Metallteile.
    Sie dachte fieberhaft nach. Welchen Plan hatte er? Warum benutzte er nicht die Taschenlampe?
    Gab es noch einen anderen Weg hier herauf?
    Sie sah nur das Leuchtzifferblatt ihrer Uhr. Es war kurz vor halb zehn. Sonntagabend. Mehr als vierundzwanzig Stunden waren seit ihrer Entführung vergangen. Was passierte gerade zu Hause, wo war Benedict? Jedenfalls nicht bei ihren Eltern. Sie wünschte sich verzweifelt, sie hätte die drei früher miteinander bekannt gemacht, damit sie gemeinsam etwas unternehmen könnten.
    War die Polizei schon verständigt? Bestimmt. Sie kannte ihren Vater. Er würde alle Hebel in Bewegung setzen.
    Wie ging es ihnen? Was mochte ihre Mutter denken? Ihr Vater? Und Benedict?
    Sie hörte das ferne Rattern eines Hubschraubers. Das zweite Mal in einer halben Stunde. Natürlich befand sie sich in der Nähe des Flughafens von Shoreham, wo viele Hubschrauber verkehrten.
    Vielleicht aber suchte er auch nach ihr.
     
    Auch er hörte wieder den Hubschrauber. Ein starker Motor, nicht die kleinen Ausbildungsmaschinen aus der Schule am Flughafen. Außerdem flogen nur wenige Hubschrauber in der Nacht, vor allem Militär, Notdienste, Krankentransporte – und die Polizei.
    Der Hubschrauber der Sussex Police war in Shoreham stationiert. Wenn er den hörte, gab es keinen Grund zur Panik. Er konnte aus allen möglichen Gründen unterwegs sein. Das Geräusch verklang, er flog nach Osten.
    Dann nahm er ein neues Geräusch wahr, das ihn weitaus mehr beunruhigte.
    Ein scharfes, beharrliches Summen. Es kam von vorn im Campingbus. Er lenkte das Fernglas in diese Richtung und entdeckte ein schwaches, pulsierendes Licht, von dem das Geräusch ausging.
    »Oh, Scheiße, nein, nein, nein!«
    Das Handy der Schlampe, das er ihr aus der Tasche genommen hatte. Er hatte geglaubt, er hätte das Scheißding ausgeschaltet.
    Er stolperte nach vorn, ergriff das Handy, warf es wütend zu Boden und zertrampelte es wie einen großen Käfer.
    Der Schmerz in seinem Auge, der Zorn über die Schlampe und über sich selbst machten ihn wahnsinnig. Er bebte am ganzen Körper. Mein Gott, mein Gott, mein Gott. Wie hatte er nur so dumm sein können?
    Mobiltelefone verrieten den Aufenthaltsort, selbst wenn sie sich nur im Standby-Modus befanden. Danach würde jeder halbwegs intelligente Polizist sofort suchen.
    Vielleicht konnten die Telefongesellschaften am Sonntag keine derartigen Informationen liefern.
    Nein, er durfte kein Risiko eingehen. Er musste Jessie Sheldon so rasch wie möglich von hier wegbringen. Noch heute Abend. In der Dunkelheit.
    Er musste sie unbedingt finden.
    Sie hatte seit über einer Stunde keinen Laut von sich gegeben. Spielte geschickt mit ihm Verstecken. Vielleicht hielt sie sich für schlau, weil sie das Messer mitgenommen hatte. Er aber hatte zwei sehr viel wertvollere Werkzeuge zur Verfügung. Die Taschenlampe und das Fernglas.
    Mit Sprichwörtern und solchem Zeug hatte er nie viel am Hut gehabt, aber es gab eine Zeile, an die er sich

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