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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Algerien. Von abgeschnittenen Köpfen algerischer Rebellen. Von gemeinsamen Vergewaltigungen algerischer Dorfmädchen. Von sexuellen Folterspielen mit wimmernden FLN -Kämpfern. Vom »Fasanenschießen« auf Rebellen, die dann anschließend wie eine »Jagdstrecke« nebeneinander aufgereiht wurden. Mir wurde hundeübel. Ich fragte ihn, ob er nicht lieber von seinen früheren Freundinnen erzählen wolle. Aber das wollte er nicht. Er erzählte lieber vom Krieg.
    Als der Zug sich endlich in Bewegung setzt, geht er an das heruntergelassene Zugfenster, um frische Luft zu schnappen. Ein kleiner Algerier bietet ihm eine Flasche Limonade zum Kauf an. »Ich nehme den ganzen Kasten«, tönt der deutsche Legionär lachend auf Französisch.
    Der Kleine strahlt, als der Fremdenlegionär tatsächlich den ganzen Kasten hochhebt. »10 Francs«, ruft der kleine Junge, »das macht 10 Francs.« Der deutsche Legionär lacht und tut so, als suche er nach Geld. Der Junge rennt angstvoll neben dem anfahrenden Zug her. »Mein Geld«, ruft er verzweifelt. Doch der Legionär lacht nur noch lauter. Dann stemmt er den Kasten hoch und lässt ihn krachend, splitternd auf den Bahnsteig fallen. »Da hast du dein Geld.« Während der Junge in fassungsloses Schluchzen ausbricht, kann sich der deutsche Fremdenlegionär vor grölendem Lachen kaum noch einkriegen.
    So hatten die Kolonialmächte die Algerier stets behandelt. 130 Jahre lang. Sie wurden, wie französische Historiker schrieben, wie Hyänen, Schakale oder räudige Füchse gejagt. Sie wurden in Höhlen getrieben und mit Feuer ausgeräuchert. »Kopfabschneiden« gehörte zum Zeitvertreib gelangweilter Kolonialisten. Mit in Salz eingelegten Ohren konnte man gutes Geld verdienen. Die Araber waren, wie Sartre treffend anmerkte, für die Europäer nicht mehr als »höhere Affen«.
    Allein in der blutigen Schlussrunde von 1954 bis 1962 wurden 8000 algerische Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. 4 Oft durch Napalmbomben. Die algerische Sahara wurde für überirdische französische Atombombentests genutzt. An ihren Spätfolgen leidet das Land noch heute. Nach algerischen Angaben starben in den letzten sechs Jahren der französischen Besatzung zwei Millionen Algerier. Nach französischen Angaben waren es »nur« halb so viel. 5
    In der Verhöhnung des kleinen Algeriers am Bahnhof von Algier konzentrierte sich wie in einem Brennglas, was diesem Volk 130 Jahre lang angetan wurde. Sie bestätigte alles, was ich später bei Camus, Sartre und Fanon über die Verdammten dieser Erde gelesen habe. Wenn ich Beschreibungen der Massaker an Algeriern las, fragte ich mich stets: »Warum ist das, was im eigenen Land ein schändliches Verbrechen ist, außerhalb der Grenzen eine Heldentat?«
    Das wurde zu einer der wichtigsten Fragen meines Lebens.
    Die Krise von Bizerta
    Ein Jahr später war ich wieder in Nordafrika. Diesmal in Tunesien. Der Zufall wollte es, dass ich einer der wenigen, wenn auch leicht verspäteten neutralen Zeitzeugen der sogenannten Bizerta-Krise wurde. Im Grunde war das Wort »Krise« eine der üblichen sprachlichen Verharmlosungen. Die Franzosen hatten in Bizerta 670 Tunesier getötet und 1500 verletzt. Vor allem Zivilisten.
    Tunesien war seit fünf Jahren unabhängig. Die Hafenstadt Bizerta war der letzte Militärstützpunkt Frankreichs in dem kleinen nordafrikanischen Land am Mittelmeer. Von hier aus – und nicht vom Hunderte Kilometer entfernten Frankreich aus – führte Paris seinen Krieg gegen Algerien. Hier starteten die französischen Kampfflugzeuge mit ihrer tödlichen Fracht. Von hier aus wurde Algerien monatelang mit Napalm bombardiert.
    Die Tunesier hatten Frankreich wiederholt um die Rückgabe Bizertas gebeten. Zuletzt Präsident Bourguiba im Februar 1961 bei einem persönlichen Treffen mit Präsident de Gaulle. Doch auch dieser lehnte ab.
    Als Frankreich stattdessen die Start- und Landebahn des Militärstützpunkts sogar noch verlängerte, blockierten Tunesier die Straßen Bizertas mit Barrikaden. Mit Kampfjets, Fallschirmjägern und Panzern fegte das französische Militär die Blockaden weg und vertrieb die gesamte Bevölkerung aus der Stadt.
    Auf Einladung tunesischer Bekannter war ich wenige Tage nach den Kämpfen in Tunis angekommen. Auf allen tunesischen Radiosendern lief patriotische Musik. Mehrfach wurden die Militärmärsche von einem erregten Nachrichtensprecher unterbrochen. Auf Französisch und Arabisch meldete er, dass einige der französischen Fallschirmjäger wegen des

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