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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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brauchte ich lange, um den Schlüssel zu finden. Erst um 12 Uhr kam ich zum Frühstücken.
    Während der nächsten drei Tage wurde ich nun stets durch fliegende Kopfkissen geweckt. Welch herrliches Leben! Doch dann war Jasira plötzlich spurlos verschwunden. Ohne ihr Lachen war das Haus kalt und leer.
    Mehmed nahm mich zur Seite. Er erklärte mir, Jasira sei in ihr Dorf zurückgekehrt. Sie habe sich in einen jungen Ausländer verliebt. Die Krise von Bizerta habe viele junge Tunesier emotional völlig verwandelt. Sie seien wie im Rausch. Sie täten Dinge, die sie sonst nie wagen würden. Krieg und Revolution veränderten die Menschen total.
    Doch Jasira wisse, dass ihre Familie ihre Beziehung nicht akzeptieren werde. Der junge Mann werde sie nie heiraten. Irgendwann werde sie zurückkommen. Wenn der junge Ausländer in seine Heimat zurückgekehrt und in Tunesien wieder Ruhe eingekehrt sei. Dann klopfte er mir kameradschaftlich auf die Schulter. »Kopf hoch! Mir laufen die Frauen auch immer davon.« Noch heute denke ich oft an Jasira.
    Kurz vor meiner Rückkehr nach Deutschland schrieb ich für die tunesische Zeitschrift Technique et hommes den ersten Artikel meines Lebens. Über die Krise von Bizerta aus der Sicht eines deutschen Studenten. Er ist nie erschienen. Der tunesische Chefredakteur nahm mich beiseite und sagte achselzuckend: »Der Artikel ist zu hart. Wir leben von Anzeigen. Auch aus Frankreich. Ich kann das nicht drucken.«
    »Klar«, dachte ich. »Der Krieg hat viele Gegner. Aber so richtig aus der Deckung kommen sie selten. Schade.«
    Das Massaker von Wiriyamu
    Mit der 1947 von Mahatma Gandhi gewaltlos erkämpften Unabhängigkeit Indiens hatte das Zeitalter der Entkolonialisierung begonnen. Die Idee des Selbstbestimmungsrechts der Völker war stärker als alle Kolonialarmeen der Welt. Doch es wurde ein langer, mörderischer Kampf. Von beiden Seiten. Auch in Mosambik und Angola, die seit fast einem halben Jahrtausend von Portugiesen besetzt waren.
    Ende 1972 war ich in den Bundestag gewählt worden und entwicklungspolitischer Sprecher der CDU -/ CSU -Bundestagsfraktion geworden. Im Juli 1973 ging die Nachricht um die Welt, die portugiesische Armee habe in dem mosambikanischen Dorf Wiriyamu über 400 Einwohner ermordet. Hauptquelle der Meldung war ein Artikel des englischen Paters Hastings in der Londoner Times . 6 Hastings berichtete erschütternde Einzelheiten.
    Die portugiesische Regierung dementierte sofort. Hastings sei bekanntermaßen ein Lügner. Da Portugal NATO -Mitglied war, wussten viele westliche Staaten nicht, wie sie mit den Anschuldigungen umgehen sollten.
    Ich beschloss, mir ein Bild vor Ort zu verschaffen. Im August flog ich nach Mosambik. Dort versuchte die Militärführung erst einmal, mich an der Nase herumzuführen. Zur Besichtigung schlug sie ausschließlich Orte in »befriedeten Gebieten« vor. »Aus Sicherheitsgründen.« Ich spürte, dass ich so nie nach Wiriyamu kommen und nur ein friedliches, fröhliches Mosambik erleben würde. Also stellte ich die Militärführung nach zwei Tagen vor die Wahl: Entweder durfte ich die Orte, die ich besuchen wollte, kurzfristig selbst bestimmen. Oder ich würde wieder abreisen.
    Da ich von zwei deutschen Journalisten begleitet wurde, hätte die Abreise einen Eklat bedeutet. Eine politische Niederlage für die ohnehin unter Druck stehende portugiesische Regierung. Die Offiziere erkannten, dass sie sich in eine Sackgasse manövriert hatten. Einen Tag lang telefonierten sie mit Lissabon. Alle paar Stunden kamen Kompromissvorschläge. Keiner war akzeptabel. Ich fing an, meine Sachen zu packen. Dann plötzlich gaben die portugiesische Regierung und das militärische Oberkommando in Mosambik nach. Ich bekam für mein Reiseprogramm freie Hand.
    Eine Woche lang fuhren wir mit Minensuchfahrzeugen durch »befreite Gebiete«. Wir flogen halsbrecherisch niedrig über die Wipfel des Urwalds, um nicht ins Feuer der Befreiungsbewegung FRELIMO zugeraten. Wir schliefen auf Bastmatten in den provisorischen Camps der portugiesischen Soldaten. Mitten im Kampfgebiet. Die Nächte waren kurz. Wegen der Hitze und wegen der ständigen Gefahr von Angriffen der FRELIMO . Die Buschtrommeln der Rebellen waren ganz nah.
    Bei den meisten der uns begleitenden Soldaten hatte ich einen Stein im Brett. Sie waren oft wehrpflichtige Studenten und fanden es gut, dass ich mich geweigert hatte, mir Potemkin’sche Dörfer zeigen zu lassen. So war ich wenige Tage später dort, wo das

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